Die FPÖ scheint gut drei Monate nach der Parlamentswahl kurz vor dem Einzug ins Kanzleramt zu stehen. Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen hat den Rechtspopulisten Herbert Kickl mit der Bildung einer Regierung beauftragt und dem FPÖ-Politiker das Mandat für Koalitionsgespräche erteilt. „Herr Kickl traut sich zu, hier im Rahmen von Regierungsverhandlungen tragfähige Lösungen zu finden – und er will diese Verantwortung“, so Van der Bellen am Mittag in Wien.
Zuvor waren Verhandlungen für die vom Bundespräsidenten favorisierte Bildung einer Dreier-Koalition von konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos nach sechs Wochen an großen inhaltlichen Diskrepanzen gescheitert.
Kickls Freiheitliche hatten die Parlamentswahl vor drei Monaten zwar klar gewonnen, waren aber angesichts des Unwillens der anderen Parteien mit den Rechtspopulisten zusammenzuarbeiten, bei Koalitionsgesprächen zunächst außen vor. Die konservative ÖVP, bisher auf Gegenkurs zur FPÖ, kündigte nun an, doch für Bündnisgespräche mit der rechten Partei zur Verfügung zu stehen.
Bei einer Einigung wäre der Weg frei für den ersten Kanzler Österreichs aus den Reihen der FPÖ. Der 56-jährige Kickl, der sich im Wahlkampf als „Volkskanzler“ positioniert hatte, ist unter anderem bekannt für seine russlandfreundliche Haltung und eine äußerst strikte Migrationspolitik mit Abschiebungen im großen Stil. Vor der Wiener Hofburg gab es Proteste gegen Kickl, als dieser sich am Vormittag mit Van der Bellen traf.

Die Entwicklung gilt als Schlag für den Bundespräsidenten
Nach dem Scheitern der Verhandlungen von ÖVP, SPÖ und Neos hatte Kanzler Karl Nehammer am Wochenende seinen Rücktritt angekündigt. Im Amt des Parteichefs folgte ihm interimistisch der bisherige ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Dieser gehörte wie Nehammer bisher zu den schärfsten Kritikern Kickls, dem er unter anderem Regierungsunfähigkeit unterstellte. Er hatte den FPÖ-Chef auch als „Sicherheitsrisiko“ bezeichnet.
Die Entwicklung zugunsten der FPÖ gilt auch als ein Schlag für den Bundespräsidenten, der eine Dreier-Koalition ohne die Rechtspopulisten präferiert hatte. Nun gehe es aber darum, dass Österreich eine handlungsfähige und stabile Regierung erhalte, so das Staatsoberhaupt. „Ich habe mir diesen Schritt nicht leicht gemacht“, betonte Van der Bellen. Er werde weiter darauf achten, „dass die Prinzipien und Regeln unserer Verfassung beachtet und eingehalten werden“.