Kampf gegen die Schuldenkrise:Slowakisches Parlament einigt sich auf Rettungsschirm

Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung: Am Tag nachdem die slowakische Regierung am Nein des Parlaments zum Euro-Rettungsschirm zerbrochen ist, haben sich Regierung und Opposition offenbar doch geeinigt. Im zweiten Anlauf will das Parlament das Euro-Hilfprogramm nun absegnen.

Klaus Brill, Bratislava

Es soll schnell gehen, und Klarheit soll geschaffen werden. Nach dem Sturz der Regierung und dem Scheitern des Euro-Hilfspakets im Parlament wollen die führenden Parteien der Slowakei möglichst rasch einen zweiten Anlauf nehmen, um zumindest den außenpolitischen Schaden zu reparieren. Die Parteichefs der bisher regierenden bürgerlichen Koalition und der sozialdemokratischen Opposition trafen sich am Mittwoch zu Gesprächen über das weitere Vorgehen.

Nach Medienberichten sind sie sich einig, der Erweiterung des Euro-Rettungsschirms zuzustimmen. Im Gegenzug für das Ja seiner Partei hätten drei Parteichefs der Koalition einer vorgezogenen Parlamentswahl am 10. März 2012 zugestimmt, sagte der Führer der Sozialdemokraten (Smer), Robert Fico. "Die Slowakei wird den EU-Rettungsfonds ohne Probleme ratifizieren. Ich denke, das wird spätestens am Freitag dieser Woche passieren", sagte Fico.

Eine solche Wiederholung ist laut Verfassung in der Slowakei bei internationalen Verträgen erlaubt. Diese Regelung war der Ausgangspunkt für eine Reihe taktischer Manöver, die unversehens Smer-Chef Robert Fico jetzt zum zentralen Akteur auf der politischen Szene beförderten. Zwar hätte er, da seine Partei die Hilfen für bedrohte Euro-Länder unterstützt, schon am Dienstag für eine Mehrheit sorgen können. Ihm lag jedoch daran, einen Zustand mit herbeizuführen, den die größte slowakische Tageszeitung Sme am Mittwoch in einer Schlagzeile als "rituellen Selbstmord" charakterisierte.

Diesen Selbstmord tat sich die bisher regierende konservativ-liberale Vierer-Koalition an. Er vollzog sich am Dienstagabend um 22.12 Uhr im Plenarsaal des Nationalrates auf dem Burgberg in Bratislava. Dank einer technisch raffinierten Abstimmungsanlage lag nach quälend langer, fast achtstündiger Debatte das Ergebnis des Votums binnen weniger Sekunden vor.

Nur 55 der insgesamt 150 Abgeordneten sprachen der christdemokratischen Ministerpräsidentin Iveta Radicova ihr Vertrauen aus und gaben so dem Plan für die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms ihre Zustimmung. Damit war die Regierung gescheitert, die Verknüpfung der Euro-Abstimmung mit der Vertrauensfrage erwies sich als Bumerang. Als letztes und einziges der 17 Euro-Länder hatte die Slowakei das große Hilfsprogramm für die Krisenländer der Euro-Zone (EFSF) abgelehnt - vorerst.

Vertrauensfrage wurde zum Bumerang

Aber eine Korrektur ist ja möglich, und noch in der Nacht der Abstimmung wurden dafür die Vorbereitungen getroffen. Außenminister Mikulas Dzurinda, der auch Vorsitzender der christdemokratischen Partei SDKU ist, trat zusammen mit Ministerpräsidentin Iveta Radicova, die seiner Partei angehört, vor die Presse. An ihrer Seite waren die Vorsitzenden der verbliebenen beiden Koalitionspartner, der christdemokratischen Bewegung KDH und der slowakisch-ungarischen Toleranzpartei Most-Hid (Brücke).

Gemeinsam bekannten sie sich zur Euro-Rettung, gemeinsam erklärten sie, der Schaden müsse nun möglichst klein gehalten werden, und gemeinsam verurteilten sie das "politische Glücksspiel" ihres abtrünnigen vierten Partners, der neoliberalen Partei Freiheit und Solidarität (SaS). Deren Vorsitzender Richard Sulik, der auch Parlamentspräsident ist, hatte trotz starken Drucks von allen Seiten auf der Ablehnung des Euro-Hilfspakets beharrt und erklärt, es sei vollkommen sinnlos, verschuldete Krisenländer wie Griechenland mit immer neuen Schulden retten zu wollen.

Koalitionspartner lässt sich nicht erpressen

Die Verknüpfung mit der Vertrauensfrage durch die Regierungschefin empfand Sulik als Erpressungsmanöver, und die SaS-Abgeordneten konterten damit, dass sie der Abstimmung fernblieben. Das Signal sollte sein: Wir sagen weder ja zum Euro- Hilfspaket noch nein zur Regierung. Ähnlich subtil brachten Fico und die Sozialdemokraten ihre gegensätzliche Auffassung zum Ausdruck: weder nein zum Euro-Rettungsschirm noch ja zur Regierung. Ihre 60 anwesenden Abgeordneten waren deshalb während der Abstimmung zwar im Saal, betätigten aber nicht die Abstimmungsknöpfe.

Slovakia votes against eurozone bailout expansion plans

Die slowakische Ministerpräsidentin Iveta Radicova ist mit ihrer Regierung an der Abstimmung zum Euro-Rettungsschirm gescheitert.

(Foto: dpa)

Der Effekt war in beiden Fällen der gleiche: Iveta Radicova fehlte die Mehrheit. Es fiel nicht ins Gewicht, ob auf der Gegenseite Enthaltungen, Abwesenheiten oder Gegenstimmen zu verzeichnen waren. Das Presseecho war in dieser Frage jedenfalls am Mittwoch unzweideutig. "Sulik stürzt Radicova" - so oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen.

Wie geht es weiter mit der Regierung?

Dies soll nicht ohne Folgen bleiben. Iveta Radicova forderte Sulik noch in der Nacht des Fiaskos auf, jetzt "ein Kerl" zu sein und jetzt sein Amt als Parlamentspräsident niederzulegen, das er ja nur der Unterstützung durch seine bisherigen Koalitionspartner verdankt. Und Verkehrsminister Jan Figel, ein früherer EU-Kommissar, der heute die christdemokratische KDH führt, hielt den Neoliberalen vor, sie befänden sich mit ihrer Position in Europa in merkwürdiger Gesellschaft.

Gegen den Rettungsschirm hätten in Frankreich die Nationale Front, in den Niederlanden die Partei des Extremisten Geert Wilders und in Österreich die Anhänger Jörg Haiders gestimmt. Richard Sulik ließ sich nicht beeindrucken und wies die Rücktrittsforderungen zurück. Er nahm es auch gelassen hin, dass die von seiner Partei gestellten Minister im Kabinett Radicova zum freiwilligen Rückzug aufgerufen wurden.

Wie es in der Regierung weitergeht, ist indes jetzt auch die Sache des Staatspräsidenten Ivan Gasparovic. Der befand sich zum Zeitpunkt der Parlamentsabstimmung auf Staatsbesuch in Indonesien, kehrte aber am Mittwoch nach Bratislava zurück, um für Gespräche mit den Parteien bereitzustehen. Gasparovic war mit Unterstützung der Sozialdemokraten im Amt bestätigt worden und hatte bisher keinen Hehl daraus gemacht, dass er diese Partei vor allen anderen bevorzugt. Theoretisch könnte er jetzt Fico mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen.

Ungewiss ist indes das Schicksal von Radicova. Die Ministerpräsidentin ist in der Koalition ebenso wie in der eigenen Partei umstritten. Manche nehmen ihr übel, dass sie gegen Korruption und Vetternwirtschaft vorging, von der auch die Christdemokraten nicht frei sind. Andere werfen ihr vor, zu sprunghaft zu agieren. Sie hatte mehrfach ihre Position nur mit Rücktrittsdrohungen durchgesetzt. Erst unlängst spielte sie mit dem Gedanken, eine neue Partei zu gründen. Dies kam bei ihren Partnern gar nicht gut an.

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