Forschung mit embryonalen Stammzellen:Bundestag erleichtert Stammzellenforschung

Die Auflagen für die Forschung mit embryonalen Stammzellen sind künftig in Deutschland weniger streng als bisher. Der Bundestag stimmte nach engagierter Debatte einer Gesetzesänderung zu, die deutschen Wissenschaftlern die Arbeit mit neueren Stammzelllinien erlaubt.

In Deutschland dürfen Wissenschaftler künftig mit jüngeren embryonalen Stammzellen aus dem Ausland forschen. Der Bundestag beschloss in Berlin mit klarer Mehrheit eine Verschiebung des Stichtags auf den 1. Mai 2007. Bislang durften die Forscher nur Stammzellen verwenden, die vor dem 1. Januar 2002 im Ausland gewonnen wurden.

Schavan im Bundestag

Forschungsministerin Annette Schavan setzte sich für die Stichtagsverschiebung ein.

(Foto: Foto: dpa)

Für die Stichtagsverschiebung stimmten 346 von 580 anwesenden Abgeordneten. 228 stimmten mit Nein, sechs enthielten sich. Zuvor hatte der Bundestag sowohl einer völligen Streichung des Stichtags als auch einem kompletten Verbot der Stammzellenforschung eine Absage erteilt.

Mit dem angenommenen Antrag, der auf eine Initiative der Abgeordneten René Röspel (SPD) und Ilse Aigner (CSU) zurückgeht, wurde auch klargestellt, dass deutsche Wissenschaftler sich nicht mehr strafbar machen, wenn sie sich an internationalen Stammzellen-Forschungsprojekten beteiligen.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hatte vehement die Lockerung des Gesetzes gefordert. Mit den älteren menschlichen embryonalen Stammzellen sei Spitzenforschung nicht mehr möglich. Für den neuen Stichtag hatten sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Forschungsministerin Annette Schavan (beide CDU) eingesetzt. Die Katholische Kirche hatte vor einer Veränderung des Stichtags gewarnt.

Schavan sagte in der zweistündigen Debatte, die Ausweitung sei verantwortbar, um Wissenschaftlern in einem schmalen Korridor die Forschung mit jüngeren, embryonalen Stammzellen zu ermöglichen.

Der neue Stichtag ist nach Ansicht von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) mit der Verfassung vereinbar. Der Staat habe zwar die Pflicht, menschliches Leben zu schützen. Genauso müsse er aber darauf achten, dass die Freiheit der Forschung nicht eingeschränkt werde, sagte Zypries.

Die Gegner der Stammzellenforschung argumentierten, die von den Wissenschaftlern geweckten Heilserwartungen hätten sich nicht erfüllt. "Kein Mensch ist mit embryonalen Stammzellen geheilt worden", sagte der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe.

Mit der Ausweitung des Stichtags auf den 1. Mai 2007 stehen deutschen Forschern in Zukunft nach Angaben des SPD-Abgeordneten Röspel nun statt 21 etwa 500 Zelllinien zur Verfügung.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hatte ein völliges Verbot der embryonalen Stammzellenforschung verlangt. "Ich kann nicht Menschen töten, um anderen Menschen zu helfen", sagte der Erzbischof im Deutschlandfunk. Auch der Kölner Kardinal Joachim Meisner hatte die Abgeordneten gewarnt: "Es geht nicht um eine Spezialistenfrage, sondern es geht um die Grundlage des christlichen Menschenbildes und um die Werte unserer freiheitlich- demokratischen Verfassung", sagte er dem domradio.

Auch aus Bayern kommen kritische Stimmen. Landtagspräsident Alois Glück (CSU) bedauert die heutige Entscheidung des Bundestages zur Stichtagsregelung im Stammzellengesetz. Dadurch wachse "die Gefahr einer schleichenden Aushöhlung des Embryonenschutzes". Außerdem sei die Entscheidung ein irreführendes Signal für den Vorrang des Lebensschutzes insgesamt. "Die im Jahre 2002 getroffene Regelung mit ihren strengen Begrenzungen und Auflagen wird damit aufgehoben - und verliert zugleich ihren Ausnahmecharakter", kritisierte er und hält es für unwahrscheinlich, dass es bei einer einmaligen Verschiebung bleibt.

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