Forschung:Fragen an Frau Karliczek

Bildungsministerin Karliczek zu Berufsbildungsbericht

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) muss Antworten geben.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Im Streit um den Standort einer vom Bund geförderten Batterieforschungsfabrik wird die Ministerin mit Kritik konfrontiert. Sie bleibt bei schon Gesagtem: Die Wahl Münsters sei ohne ihr Zutun getroffen worden.

Von Roman Deininger, Paul Munzinger, Wolfgang Wittl, München/Berlin

Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, dann hätte Anja Karliczek den Mittwoch in Kalifornien verbracht. Sie hätte das Silicon Valley besucht und sich dort über die neuesten Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz informiert. Doch die Bildungs- und Forschungsministerin musste die USA-Reise absagen, sie wurde in Berlin gebraucht. Um erstens der Amtseinführung der neuen Verteidigungsministerin beizuwohnen, ihrer CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Und um anschließend einen weniger angenehmen Termin wahrzunehmen: eine Befragung vor dem Forschungsausschuss des Bundestages. Grüne, FDP und Linke hatten eine Sondersitzung beantragt.

Es geht um die Entscheidung von Karliczeks Ministerium, der Stadt Münster den Zuschlag für eine Hunderte Millionen Euro teure Batterieforschungsfabrik zu erteilen. Seit Karliczek diese Wahl Ende Juni verkündete, wird sie das Thema nicht mehr los. Die Stadt in Westfalen grenzt an ihren Wahlkreis, ein Teil des Komplexes wird zudem in ihrer Heimatstadt Ibbenbüren entstehen. Seitdem versucht Karliczek den Verdacht auszuräumen, sie habe ihrer Heimat das Projekt samt Investitionen und Arbeitsplätzen zugeschanzt - zum Schaden der sieben Mitbewerber, zu denen Ulm, Augsburg oder auch Dresden gehörten. Aus Sicht von Grünen, FDP und Linken ist ihr das noch nicht gelungen.

Den Argwohn der Abgeordneten erregt vor allem die Tatsache, dass das Auswahlverfahren durch das Ministerium zwei Mal verändert wurde, während es bereits lief. Zum einen war ursprünglich geplant, dass die sogenannte Gründungskommission eine Empfehlung für einen Standort abgibt - das tat sie dann aber doch nicht. Die Gründungskommission hatte die Aufgabe, die Standorte zu bewerten; ihr gehörten neben dem BMBF und dem Wirtschaftsministerium Vertreter der Industrie an sowie der Fraunhofer-Gesellschaft, die die Batterieforschungsfabrik betreiben wird.

Die Abkehr vom ursprünglichen Plan begründete Karliczek am Mittwoch im Ausschuss nach Angaben von Teilnehmern wie auch zuvor schon: Im Verlauf der Beratungen seien Interessenkonflikte der Industrievertreter zutage getreten. Die Kommission habe deshalb lediglich vier Standorte für geeignet befunden, aber keine Empfehlung erteilt und keine Rangfolge erstellt. Anderslautende Berichte seien falsch. Damit bezog sich Karliczek offenkundig auf einen Bericht im Berliner Tagesspiegel. Das Blatt zitierte aus einem Schreiben eines Mitglieds der Gründungskommission an deren Vorsitzenden, in dem die Auswahl Ulms empfohlen wird. Es datiert vom 23. Juni, fünf Tage später verkündete Karliczek die Wahl Münsters. Das Schreiben, betonte sie nun, stelle ausdrücklich nur einen "Diskussionsbeitrag" dar.

Zum zweiten wurden auch die Auswahlkriterien für die Bewerber unterwegs geändert. Diese waren zunächst allgemein gehalten und lauteten: "Kompetenz", "Industrie", "Zeit" und "Finanzierung". Auf Basis dieser Kriterien habe die Fraunhofer-Gesellschaft aber keine Entscheidung treffen können. Deshalb seien die Kriterien ausdifferenziert worden, wie Karliczek Sitzungsteilnehmern zufolge erläuterte. Auch die Kompetenz der beteiligten Wissenschaftler, der zu erwartende volkswirtschaftliche Nutzen sowie die Nachhaltigkeit der Konzepte seien nun in die Entscheidung eingeflossen - und in allen drei Bereichen habe Münster vorne gelegen.

Sie selbst, wiederholte Karliczek, habe sich aus der Entscheidungsfindung herausgehalten, seit klar war, dass Münster Chancen auf den Zuschlag hat. Die Entscheidung habe ihr Ministerium getroffen. Nach der Sitzung würdigten Ausschussmitglieder zwar die Bereitschaft Karliczeks, zur Aufklärung beizutragen. Zugleich übten sie aber Kritik am Auswahlprozess und an der Rolle der Ministerin. Die Befragung habe "untermauert, dass das Verfahren alles andere als transparent abgelaufen ist", sagte Anna Christmann, innovationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Thomas Sattelberger, FDP, bezeichnete das Verfahren als "stümperhaft". Karliczek fehle "jegliche Sensibilität für die Wirkung solcher Standortentscheidungen". Petra Sitte von der Linkspartei kritisierte besonders die Einbindung von Industrievertretern, die sich dann wegen Interessenkonflikten aus der Entscheidung zurückziehen, als "bizarren Vorgang". Das BMBF sagte nach Teilnehmerangaben zu, weitere Dokumente offenzulegen, sofern dies rechtlich möglich ist. Bayern und Baden-Württemberg, die sich als Autoländer besonders über die Wahl Münsters geärgert hatten, beschlossen bereits am Mittwoch in einer gemeinsamen Kabinettssitzung, ihre Batterieforschung trotz der Entscheidung des Bundes voranzutreiben. Aus Berlin fordern sie dafür "mindestens 100 Millionen Euro pro Land", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

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