Forsa-Chef über SPD-Chef BeckSchlechter als Scharping

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Dass kaum jemand Kurt Beck kennt, findet Meinungsforscher Manfred Güllner nicht sonderlich dramatisch. Dass aber 40 Prozent der SPD-Wähler von 2005 heute lieber Merkel als Beck im Bundeskanzleramt sehen wollen, schon.

Christoph Schwennicke

Manfred Güllner ist Chef des Meinungsforschungsinstitutes Forsa. Er galt als Freund und Berater von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. In den vergangenen Wochen ist er den Genossen vor allem als Verkünder schlechter Nachrichten aufgefallen.

Kurt Beck: Bei seinen Parteigenossen heißt es für den SPD-Chef "Daumen runter".
Kurt Beck: Bei seinen Parteigenossen heißt es für den SPD-Chef "Daumen runter". (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Güllner, was haben Sie gegen die SPD?

Güllner: Nichts. Was sollte ich gegen die SPD haben?

SZ: Namhafte Vertreter der Partei fühlen sich von Ihnen verfolgt.

Güllner: Das verkennt völlig, was wir hier machen. Ich sitze nicht hier und denke mir aus: Wie kann ich Herrn Beck schaden oder der SPD? Wir erheben für unsere Auftraggeber im Bereich der Politikforschung bestimmte Fragen kontinuierlich. Wir würden zu Recht verprügelt, wenn ich persönliche Rachegelüste verfolgen würde. Wir referieren nur, was die Menschen uns sagen. Wir geben den Menschen gewissermaßen eine Stimme. Und die Menschen halten die SPD in Bund, Ländern und vielen Kommunen derzeit für nicht sonderlich kompetent.

SZ: Sie sagen: Beck ist als SPD-Vorsitzender nach wie vor kaum bekannt. Und: Selbst unter SPD-Anhängern bevorzugen mehr Befragte Merkel als Kanzlerin. Wie außergewöhnlich ist dieser Befund?

Güllner: Der erste Punkt ist undramatisch. Dramatisch ist, dass diejenigen, die 2005 SPD gewählt haben, um Frau Merkel zu verhindern, heute zu fast 40 Prozent sagen: Ich würde mich für Frau Merkel entscheiden. Mir ist kein annähernd ähnlicher Fall bekannt. Rudolf Scharping hatte vor dem Sturz in Mannheim 1995 immer noch mehr als die Hälfte der SPD-Anhänger hinter sich, bei Beck ist es ein Drittel.

SZ: Beck steht schlechter da als Scharping vor Mannheim?

Güllner: Richtig. Ich weiß nicht, ob je ein Parteichef so schlecht bei seinen Leuten dastand. Jedenfalls haben wir seit den achtziger Jahren eine solche Zahl wie jetzt bei Beck nicht gemessen.

SZ: Woran liegt es?

Güllner: Das bedeutet, dass Kurt Beck keine Bindekraft entfaltet. Die Wahrscheinlichkeit, dass Wähler bei ihm als Kanzlerkandidat der SPD zu Hause bleiben, ist deshalb sehr, sehr groß.

SZ: Wir erklären Sie den Umstand, dass Sie mit forsa bei der Sonntagsfrage elf Prozentpunkte Abstand zwischen SPD und Union messen, andere Institute aber nur sechs?

Güllner: Ich weiß nicht, was andere machen. Ich weiß nur, dass wir verantwortlich mit den Zahlen umgehen. Und wenn von 100 SPD-Wählern bei der Wahl 2005 heute fast 45 sagen: ich wähl' die nicht wieder, dann scheinen mir unsere Zahlen nicht unplausibel zu sein. Gerhard Schröder hat in einem fulminanten Wahlkampf die SPD im Alleingang von unter 30 Prozent noch auf 34 Prozent hochgezogen. Jetzt haben wir Beck und Müntefering, und beide entfalten für die SPD keine Bindekraft, Steinmeier und Steinbrück auch nicht, so gute Minister sie sein mögen. Wenn andere - wie infratest-dimap - die SPD heute ähnlich stark sehen wie zu Schröders Zeiten, könnte das was damit zu tun haben, dass man massenhaft Aufträge von der SPD bzw. SPD-geführten Ministerien erhält.

SZ: Die SPD immunisiert sich gegen Ihre Zahlen: Der Güllner hat sich schon oft verhauen, immer zu unseren Ungunsten, etwa vor der Wahl in Rheinland-Pfalz, als sie SPD und Union noch kurz vor dem Urnengang gleichauf bei 37 Prozent gesehen haben und Beck dann klar gewann.

Güllner: Das mit dem Kopf-an-Kopf-Rennen ist ein weiteres SPD-Märchen. Wir hatten drei Wochen vor der Wahl die SPD bei 39, die CDU bei 34 Prozent gesehen. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht klar, dass viele potentielle CDU-Anhänger wegen ihres Kandidaten nicht zur Wahl gegangen sind. Beck hat gewonnen, weil er einen schwachen Herausforderer hatte, der die eigenen Leute nicht hinter dem Ofen vorgelockt hat. Das hat sich dann aber erst in der letzten Phase des Wahlkampfes gezeigt, in der wir keine Daten mehr erhoben haben.

SZ: Nächster Vorwurf: Sie haben es nicht verkraftet, vom Haus- und Hofdemoskopen Gerhard Schröders zur Persona non grata in der SPD geworden zu sein und von dort keine Aufträge mehr zu bekommen.

Güllner: Ich kam früh zu der Überzeugung, dass Schröder der einzige in der SPD ist, der das Zeug zum Kanzler hat. Und was ihn von der SPD unterschied, war, dass er auch mit schlechten Umfragewerten souverän umgehen konnte, die SPD aber hat eine geradezu notorische Neigung, die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen und sich der Realität zu verweigern. Das passiert ja auch im Moment wieder.

SZ: Und die entgangenen Aufträge?

Güllner: Forsa hat von der SPD-Zentrale in fast 25 Jahren nie einen großen Auftrag bekommen. Nur zweimal hat forsa von der SPD-Zentrale Geld bekommen: Einmal beim Wahlkampf 2002, als wir das Duell Stoiber-Schröder mit unseren besonderen Mitteln gemessen haben. Das zweite Mal 2005, als forsa für die SPD in Nordrhein-Westfalen gearbeitet hatte. Zweimal 20.000 Euro, also 40.000 Euro. Das war's. Bei meiner Firmengründung 1984 habe ich im übrigen schon einkalkuliert, dass wir keine Aufträge von der SPD erhalten.

SZ: Warum?

Güllner: Weil ich schon zuvor erlebt hatte, wie die SPD-Führungs- und Funktionärskader die Realität ausblendeten. So nahmen sie etwa die Ergebnisse des eigenen Instituts, Infas, schon in den siebziger Jahren nicht zur Kenntnis.

SZ: Die Demoskopie ist in der Krise seit der Bundestagswahl. Auf die Ergebnisse wird nicht mehr so viel gegeben. Wird sich das wieder ändern?

Güllner: Klagen über zu viele oder falsche Umfragen gab es immer und wird es immer geben - nicht nur im Umfeld der Bundestagswahl 2005, als alle die Union krass überschätzt hatten. Das spricht aber nicht gegen das Instrument an sich. Und glauben Sie keinem Politiker, der behauptet, nach 2005 würde er keine Umfragen mehr lesen. Sie lesen sie immer noch gierig.

SZ: In Berlin hält sich die Behauptung, dass Sie Gerhard Schröder kurz vor dessen denkwürdigen Auftritt in der Elefantenrunde gedopt hätten mit frischen Zahlen, die ihn in den Bereich der Kanzlerschaft brachten. Was stimmt daran?

Güllner: Gar nichts. Ich habe vor dem Auftritt nicht mit Schröder gesprochen.

© SZ vom 09. Mai 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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