Forderung nach Geheimdienstbeauftragtem:Den Staat im Staate kontrollieren

Das Kontrollgremium für Geheimdienste soll wachsen, doch mehr Mitarbeiter allein reichen nicht. Deutschland braucht einen speziellen Beauftragten, der freien Zugang zu allen Nachrichtendiensten hat.

Deutschlands Geheimdienste und deren parlamentarische Kontrolle - das ist ein schwieriges Kapitel. Die NSA-Abhöraffäre hat die Frage aufgeworfen, was der Bundesnachrichtendienst (BND) über die Spionage der Amerikaner gegen die Kanzlerin der Bundesrepublik wusste. Und die vielen Pannen bei der Arbeit des Verfassungsschutzes bei der Bekämpfung des Rechtsradikalismus, wie sie im NSU-Untersuchungsausschuss zutage getreten sind, haben deutlich gemacht, dass es nach wie vor mit der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste nicht zum Besten bestellt ist.

In diesen Tagen hat der neue Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger, zusammen mit seinem Stellvertreter Burkhard Lischka von der SPD mitgeteilt, dass die Zahl der Mitarbeiter dieses Kontrollorgans aufgestockt wird.

Durch einen neuen "operativen Stab" werde die Kontrollfähigkeit des Gremiums deutlich verbessert. Zur Aufklärung der NSA-Abhöraffäre wurde vom Bundestag außerdem in der vergangenen Woche ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, dem acht Bundestagsabgeordnete angehören.

Seit fast 18 Jahren liegt ein Vorschlag auf dem Tisch

Wie immer, wenn neue Schwachstellen oder Skandale der Geheimdienste zutage treten, wird seitens der Verantwortlichen eine Aufstockung des Mitarbeiterstabes des Parlamentarischen Kontrollgremiums gefordert, oder, wie jetzt geschehen, für die nahe Zukunft angekündigt. Abgesehen davon, dass dieser "operative Stab" allenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein wäre, wird man durch diese lediglich personellen und organisatorischen Maßnahmen die mangelnde Kontrolle der Nachrichtendienste kaum verbessern.

Hierzu bräuchte es struktureller Veränderungen. Zu denen ist aber die Mehrheit des Bundestages bis heute nicht bereit. Dabei liegt seit fast 18 Jahren ein Vorschlag von Otto Schily, Peter Struck und mir auf dem Tisch - würde er realisiert, könnte das Parlament die Nachrichtendienste endlich wirkungsvoll kontrollieren. Damals war gerade die sogenannte Plutoniumaffäre aufgedeckt worden, bei der es unter anderem auch um eine mögliche Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an einem illegalen Plutoniumschmuggel von Moskau nach München ging.

Es braucht einen Geheimdienstbeauftragten

Wir forderten daraufhin, die laufende Kontrolle der Geheimdienste einem Geheimdienstbeauftragten zu übertragen, der mit einer Zweidrittelmehrheit für jeweils fünf Jahre vom Bundestag zu wählen wäre. Dieser Geheimdienstbeauftragte sollte mit qualifiziertem Personal ausgestattet werden. Er sollte freien Zugang zu allen Nachrichtendiensten haben, zudem umfassende Auskunftsrechte sowie das Recht auf Zeugenvernehmung. Unser Vorbild für diesen Vorschlag war die Einrichtung des Wehrbeauftragten, der als Hilfsorgan des Bundestages dem Parlament bei dessen parlamentarischen Kontrollpflichten zur Seite steht.

Dieser Vorschlag hat in den zurückliegenden Jahren vielfältige Zustimmung von höchst unterschiedlicher Seite erfahren - vom früheren Chef des Bundesnachrichtendienstes, Hansjörg Geiger, aber auch von dem während seiner Amtszeit höchst umstrittenen ehemaligen Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer.

Schon vor Jahren gefordert - aber nie umgesetzt

In einem Gesetzentwurf aus dem Jahre 2008 hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Schaffung eines "ständigen Beauftragten" zur Kontrolle der bundesdeutschen Geheimdienste gefordert. Diesem Beauftragten sollten umfassende Kontrollbefugnisse übertragen werden, die er in enger Anlehnung an das Parlamentarische Kontrollgremium wahrzunehmen hätte.

Nur: In die Tat umgesetzt wurde dieser Vorschlag bisher nicht. Dabei zeigen die jüngsten Skandale, vor allem auch der NSA-Abhörskandal und die Missstände, die der NSU-Untersuchungsausschuss zutage gefördert hat, dass eine laufende und wirksamere Kontrolle der bundesdeutschen Geheimdienste dringender wäre denn je.

Missstände sind vorprogrammiert

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Arbeit der Dienste mit einem häufig schwer durchschaubaren Schleier umgeben ist und die Dienste nicht selten ein oft nicht mehr durchschaubares Eigenleben entfalten, das für die rechtsstaatliche Ordnung unseres Gemeinwesens höchst gefährlich werden kann. Geheimdienste können, wenn ihre sicherlich auch risikoreiche Arbeit nicht einer laufenden kompetenten Kontrolle unterliegt, schnell aus dem Ruder laufen.

Sie können sich im schlimmsten Fall zum Staat im Staate entwickeln - Ansätze dazu sind in manchen Fällen durchaus sichtbar geworden. Dies ist die Kehrseite einer Aufklärungsarbeit, die insgesamt den Interessen des Landes und seiner rechtsstaatlichen Ordnung dient, die öffentlich zugängliche Quellen ebenso nutzt wie Informationen, die nur mühsam und mit geheimdienstlichen Mitteln zu erlangen sind.

Eine Geheimdienstkontrolle können Abgeordnete allein nicht leisten

Wenn die Geheimdienste nicht wissen, dass ihre wahrlich nicht einfache Arbeit ständig von einer professionell ausgestatteten parlamentarischen Einrichtung begleitet und kontrolliert wird, sind Fehlentwicklungen und Missstände programmiert. Es ist die Pflicht des Parlamentes, die Regierung und die ihr nachgeordneten Einrichtungen wirksam zu kontrollieren. Eine Geheimdienstkontrolle jedoch kann neben der laufenden Parlamentsarbeit durch Abgeordnete alleine und auch durch deren Mitarbeiterstäbe, mögen sie noch so qualifiziert sein, nicht wirksam durchgeführt werden.

Bei einer schon strukturell mangelhaften Kontrolle werden auch in Zukunft Geheimdienstskandale unausweichlich geschehen. Parlament und Regierung werden, wenn sie die parlamentarische Kontrolle nicht endlich wirksam verbessern, auch in Zukunft bei der Aufdeckung von Geheimdienstskandalen oder einer Fehlentwicklung der Dienste das Nachsehen haben. Untersuchungsausschüsse, die dann die Versäumnisse aufzuklären haben, sind nicht dazu angetan, verlorenes Vertrauen in eine wirksamere Geheimdienstkontrolle wiederherzustellen.

Das bisherige Herumkurieren an Symptomen mit allenfalls marginalen Verbesserungen nährt im Übrigen den Verdacht, dass wirksame Geheimdienstkontrolle Gefahr läuft, der tagespolitischen Opportunität geopfert zu werden. Ein mit der notwendigen Sensibilität ausgestatteter Geheimdienstbeauftragter - oder eine Geheimdienstbeauftragte - dem oder der in Zusammenarbeit mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium die Kontrolle der Nachrichtendienste obliegt, wäre ein Garant dafür, dass die Nachrichtendienste nicht nur kompetent arbeiten, sondern sich auch in dem ihnen vorgegebenen gesetzlichen Rahmen bewegen.

Hermann Bachmaier, 74, war bis zum Jahr 2005 SPD-Bundestagsabgeordneter und Justiziar sowie rechtspolitischer Sprecher der Fraktion. Er gehörte seit den Achtzigerjahren mehreren Untersuchungsausschüssen an.

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