Am Ende hatte sogar der ranghöchste Republikaner im Ausschuss die Nase voll von der Heimlichtuerei. Sicher, es gebe "signifikante Fehler, Auslassungen und Unterstellungen" in dem Bericht, sagte Saxby Chambliss, Senator aus Georgia. Trotzdem habe er mit Ja gestimmt. Ja zur Veröffentlichung eines Papiers, erstellt vom Geheimdienstausschuss des US-Senats, dessen Vizechef Chambliss ist. Ein Papier, das abrechnet mit den Foltermethoden des US-Geheimdiensts CIA nach dem 11. September 2001. Darunter: Waterboarding, Schlafentzug, stundenlanges Stehen in der Kälte, Beschallung mit lauter Musik, Schläge in den Bauch.
So ging es zu in Geheimgefängnissen im Ausland, sogenannten "Black Sites", und in Guantánamo Bay. Bis Präsident Barack Obama nach seinem Amtsantritt 2009 eine Schließung des US-Gefangenenlagers auf Kuba ankündigte (die er bis heute nicht durchsetzen konnte) sowie ein Verbot jeglicher Folter erließ. Die Folterknechte der CIA wollte er jedoch nicht strafrechtlich belangen, sie sind bis heute auf freiem Fuß.
Die Anwälte manch eines Folteropfers hoffen nun auf Senatoren wie Saxby Chambliss oder Dianne Feinstein, die demokratische Chefin des Senatsausschusses zur Kontrolle der Geheimdienste. Über mehrere Jahre hinweg haben die Parlamentarier Daten gesichtet, Dokumente analysiert, Zeugen verhört. Alles hinter verschlossenen Türen. Das Ergebnis ist ein etwa 6300 Seiten starker Bericht, der einer Ohrfeige für die CIA gleichkommt. Nach allem, was bereits in US-Medien kursiert, steht darin:
- Die "verbesserten Verhörmethoden" der CIA im "Krieg gegen den Terror", juristisch abgesegnet von US-Präsident George W. Bush, seien nicht nur Folter gewesen, "die in einem starken Kontrast steht zu den Werten unserer Nation", wie es Feinstein ausdrückt, ...
- ... sondern auch unnötig. Zum Teil habe die CIA Häftlinge erst gefoltert, nachdem sie ihr Wissen preisgegeben hatten - etwa im Fall des Mannes, der die US-Ermittler auf die Spur des im Mai 2011 getöteten Al-Qaida-Gründers Osama bin Laden brachte.
- Auch seien Foltermethoden angewendet worden, die nicht mal nach der äußerst großzügigen Auslegung des Gesetzes durch die Bush-Regierung legitim gewesen wären. Die Washington Post spricht unter Berufung auf US-Beamte von "Details, die das öffentliche Bewusstsein in gleicher Weise schockieren werden wie die Abu-Ghraib- oder Waterboarding-Enthüllungen".
- Die "beunruhigendsten" Teile des Berichts widmeten sich dem Unterschied zwischen den internen Berichten von CIA-Mitarbeitern und dem, was der Geheimdienst dem Parlament mitgeteilt habe, schreibt die Washington Post. Sprich: Die CIA hat gelogen, bis sich die Balken bogen.
Kein Wunder, dass sich der Geheimdienst nach Kräften gegen die angeblich 40 Millionen US-Dollar teure Untersuchung wehrte: durch Lobbyarbeit, Indiskretionen, mutwillige Verzögerung der Aufklärung. Angeblich haben Geheimdienstler sogar die Computer der Ausschussmitarbeiter angezapft. Die hatten in einem von Agenten eingerichteten Bürokomplex in der Nähe von Washington das geheime Material gesichtet und überprüft ( Details hier). Feinstein war über die Abhörmaßnahmen so erbost, dass sie der CIA-Führung "Verfassungsbruch" vorwarf. Dem Auslandsgeheimdienst CIA ist es verboten, in den USA tätig zu werden.
Spähaffäre um Geheimdienst:US-Senatorin wirft CIA Bruch der Verfassung vor
Es ist eine leidenschaftliche, 40-minütige Rede: Die einflussreiche US-Senatorin Dianne Feinstein wirft dem Auslandsgeheimdienst CIA vor, mit dem Ausspähen von Parlamentscomputern gegen die Verfassung verstoßen zu haben. Sie verlangt ein Schuldeingeständnis.
Elf dafür, drei dagegen
CIA-Direktor John Brennan widersprach und giftete in der Öffentlichkeit zurück. Das US-Blog Politico spricht von den "ernstesten Spannungen seit Jahren zwischen dem Geheimdienst und seinen Aufsehern im Kongress". Dabei war Feinstein lange eine vehemente Verteidigerin jeglicher Aktivitäten der US-Dienste - auch über die NSA verliert die Demokratin kein kritisches Wort.
Nicht nur Feinstein hat langsam genug: Auch unter den Republikanern, die stets um die nationale Sicherheit besorgt sind, bröckelt die Front. Als im Ausschuss über die Veröffentlichung eines Exzerpts des Berichts abgestimmt wurde, stimmten Medienberichten zufolge elf Senatoren dafür. Dagegen waren nur drei. Während Marco Rubio, Senator aus Florida und möglicher Präsidentschaftskandidat 2016, mit Nein gestimmt haben soll, schlossen sich andere Republikaner den Demokraten an. Etwa Susan Collins aus Maine. Oder eben Saxby Chambliss. "Das amerikanische Volk soll sich selbst ein Urteil bilden", sagte der Senator aus Georgia. Womit er gleich den nächsten Streitpunkt ansprach.
Die Öffentlichkeit soll nämlich nicht die mehr als 6000 Seiten des Berichts einsehen können. Sondern nur etwa 400 Seiten. Darin enthalten: eine Zusammenfassung, Schlussfolgerungen und vom Bericht abweichende Meinungen, etwa der CIA selbst. Der übrige Teil des Dokuments, der angeblich detailliert auf Einzelschicksale von Gefangenen eingeht, soll auf nicht absehbare Zeit unter Verschluss bleiben. Zwar hat Feinstein angekündigt, auch hierfür eine Freigabe erwirken zu wollen, "aber nicht jetzt".
"So schnell abschließen wie möglich"
Zudem - und hier lauert das größere Problem - ist nun US-Präsident Barack Obama am Zug, der die Veröffentlichung offiziell befürwortet. Er will jedoch der CIA Gelegenheit geben, das Exzerpt vorher zu bearbeiten, um der nationalen Sicherheit willen. "Die CIA wird die Freigabe in Zusammenarbeit mit anderen Diensten durchführen", sagte Caitlin Hayden, Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der USA, dem Obama vorsitzt. "Der Präsident hat klargemacht, dass er den Prozess so schnell abschließen will wie möglich, vereinbar mit der nationalen Sicherheit. Das ist es, was wir tun werden."
Das ruft die Kritiker auf den Plan. Die Lügner hätten nun die Gelegenheit, die Aufdeckung ihrer Lügen zu behindern, sagen sie. Schon 2012, als ein erster Entwurf des Berichts fertig war, habe die CIA ihn binnen 60 Tagen prüfen dürfen, erinnert etwa Christopher Anders, Bürgerrechtler der American Civil Liberties Union. "Aus den 60 Tagen wurden mehr als sechs Monate, und obwohl die CIA beinahe keinen sachlichen Fehler fand, schrieb sie einige Hundert Seiten darüber, wie wenig effizient die Untersuchung sei und wie wenig valide die Methoden", klagt Anders in einem Gastbeitrag für CNN.
Dass CIA-Direktor John Brennan nun eine "zügige" Bearbeitung des Berichts angekündigt habe, ist für Anders blanker Hohn: "Klar, lasst uns den Bericht dem Geheimdienst anvertrauen, der mit seiner Folter das Gesetz gebrochen hat", schreibt er mit bitterer Ironie. "Es ist Zeit, dass jemand anderes als die CIA entscheiden kann, was alle Amerikaner über seine Verfehlungen wissen dürfen."