Folter-Protokolle:"Es fühlte sich wie ein Kampf an, der nie aufhört"

Folter

Systematische Folter irakischer Gefangener? Zwei Nichtregierungsorganisationen haben Zeugenaussagen dokumentiert und erheben schwere Vorwürfe gegen das britische Militär.

(Foto: Sebastian Haslauer)

Mohammad B. ist einer der 109 Iraker, der britischen Soldaten Folter während des Irak-Kriegs vorwirft. Im Militärstützpunkt Basra sei er geschlagen worden, habe unter Tritten bis zur Erschöpfung Zickzack rennen und in sengender Hitze ohne Wasser ausharren müssen. Seine Aussage im Wortlaut.

War Abu Ghraib kein Einzelfall? 109 Iraker beschuldigen nun auch Großbritannien der Kriegsverbrechen. Am Freitag haben ihre Anwälte Anzeige beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erstattet. Sie berichten von Folter und Missbrauch. Die Süddeutsche Zeitung dokumentiert in ihrer Wochenendausgabe einige der Zeugenaussagen.

"Es muss gegen neun oder zehn Uhr morgens gewesen sein, die Sonne verbrannte meinen ganzen Körper, während ich auf dem Boden kauerte. Zu der Jahreszeit ist es sehr heiß, es war, als wäre ich in der Hölle gelandet. Während ich kauerte, spürte ich ein Brennen in meinem Nacken. Es muss eine Zigarette oder ein Laser gewesen sein.

Folter-Protokolle: Das undatierte Foto zeigt Iraker in britischer Haft: In ihren Zeugenaussagen erheben ehemalige Gefangene schwere Vorwürfe gegen britische Soldaten.

Das undatierte Foto zeigt Iraker in britischer Haft: In ihren Zeugenaussagen erheben ehemalige Gefangene schwere Vorwürfe gegen britische Soldaten.

(Foto: bahamousainquiry.org)

Ich bat um etwas Wasser zum Trinken, doch statt mir das Wasser zu geben, gossen die Soldaten es über meinen Kopf. Später gossen sie Urin über meinen Kopf, das konnte ich riechen. Wenn ich meine Position nur minimal veränderte, wurde ich von einem Soldaten getreten. Wenn ich versuchte, meinen Kopf zu heben, drückten die Soldaten ihn mit Gewalt runter. Ich war erschöpft.

Ich muss für etwa ein bis eineinhalb Stunden dort gewesen sein, ehe ich zu meinem ersten Verhör gebracht wurde. Ein Soldat nahm mich an der Hand, und dann zwangen mich zwei oder drei Soldaten, im Kreis zu rennen. Sie führten mich im Zickzack in verschiedene Richtungen.

Ich fiel oft hin, und wurde immer gezwungen, wieder aufzustehen. Die Soldaten traten mich weiter. Ich war völlig orientierungslos und benommen. Ich spürte, sie wollten, dass ich bewusstlos werde. Ich weiß nicht, wie lange das so ging, irgendwann hob ein Soldat einen Ohrenschützer an und ein Übersetzer sagte, dass sie mich jetzt zum Verhör bringen würden.

Hinterher wechselten sie Augenbinde, Ohrenschützer und Kapuze, und ich musste wieder im Zickzack rennen. Ich war so erschöpft, dass ich zusammenbrach, aber die Soldaten traten mich. Dann brachten sie mich zurück zu dem steinigen Platz, und ich musste wieder in der unangenehmen Sitzposition kauern. Ich wurde weder aufs Klo gebracht, noch gab man mir zu essen oder etwas zu trinken. Es war Juni und unerträglich heiß.

Die Soldaten holten mich noch mal zum Verhör, und wieder musste ich in verschiedene Richtungen und im Kreis laufen. Die Soldaten ließen mich gegen Sandsäcke knallen und über Hindernisse stolpern. Sie schlugen mich, während ich lief und wenn ich hinfiel. Es fühlte sich wie ein Kampf an, der nie aufhört.

Nach dem Verhör rannte ich wieder in dem gleichen erschöpfenden Zickzack und in Kreisen zurück zu dem Steinplatz, wo ich in der knienden Position verharren musste. Es war wohl gegen Mittag. Die Sonne brannte auf mich herab, und es war wie im Backofen. Sie zwangen mich, in der Position drei Stunden lang zu verharren, ohne Essen, ohne Wasser. Ich war extrem durstig.

Gegen drei Uhr nachmittags zwangen mich die Soldaten, mich aufrecht hinzustellen, den Kopf nach unten, die Arme vor mir ausgestreckt. Ich musste in dieser Position etwa fünf bis zehn Minuten ausharren, dann brachte mich der Soldat zu einem anderen Ort. Dies bedeutete, dass gerade, wenn sich meine Füße an den heißen Untergrund gewöhnt hatten, ich mich dorthin bewegen musste, wo der Boden siedend heiß war. Die Sohlen meiner Füße waren verbrannt, und ich spürte, dass sie geschwollen waren. Nach eineinhalb Stunden brach ich zusammen und fiel bewusstlos zu Boden."

Mohammad B., 50 Jahre, Militärstützpunkt Basra

Weitere Protokolle der mutmaßlichen Kriegsverbrechen lesen Sie in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung. Jetzt am Kiosk oder zum Download als Digitalausgabe. Die ARD berichtet am Sonntag, 12. Januar, um 19.20 Uhr im Weltspiegel über die Vorwürfe gegen das britische Militär.

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