Folgen:Geschlossene Grenzen, abgesagte Treffen

Die Seuche schadet der Weltwirtschaft. Der IWF senkt die Wachstumsprognose, Staaten schränken Reisen ein, Österreich stoppt Züge aus Italien.

Von Lea Deuber, Cerstin Gammelin und Paul-Anton Krüger

Folgen: Auch Südkorea versucht, das Virus einzudämmen, hier mithilfe von Desinfektionsmittel auf einem Markt in der Stadt Daegu.

Auch Südkorea versucht, das Virus einzudämmen, hier mithilfe von Desinfektionsmittel auf einem Markt in der Stadt Daegu.

(Foto: AFP)

Niemand kann sich erinnern, dass es in der Geschichte der G-20-Treffen schon mal eine solche Absage gegeben hat wie jetzt beim Finanzministertreffen im saudischen Riad. Die Regierung in Peking verzichtete darauf, eine hochrangige Delegation zu senden - und wollte lieber per Video zu den Beratungen zugeschaltet werden. Der Grund: das Coronavirus.

Das Virus und die sich ausbreitende Epidemie waren eines der beherrschenden Themen auf dem zweitägigen Treffen der Finanzminister aus den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern an diesem Wochenende. "Wir werden die ökonomischen Risiken weltweit stärker beobachten", die auch durch das Coronavirus entstünden, schreiben die Minister ganz vorn in der Abschlusserklärung von Riad. Man stehe bereit für weitere Maßnahmen.

Noch rechnen die Experten damit, dass China die Epidemie bald eingedämmt hat

Wenige Stunden zuvor hatte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in Riad die erst im Januar 2020 veröffentlichten Wachstumsprognosen für das laufende Jahr gesenkt; für China um 0,4 Prozentpunkte auf 5,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Und für die Welt um 0,1 Prozentpunkte auf nun 3,2 Prozent des BIP. Diese Zahlen gelten allerdings nur für den Fall, dass China die Epidemie eindämmen und im zweiten Quartal 2020 zur Normalität zurückkehren kann. "Aber wir schauen auch auf noch düsterere Szenarien, bei denen die Ausbreitung des Virus länger anhält und die Konsequenzen sich länger hinziehen", sagte Georgiewa. Die IWF-Chefin forderte alle Staaten auf, zu kooperieren. Das sei "unabdingbar, um das Virus einzudämmen und seine ökonomischen Konsequenzen, vor allem, wenn der Ausbruch noch hartnäckiger wird und sich weiter ausbreitet." Um sich vorzubereiten, müsse Staaten mit schwachen Gesundheitssystemen geholfen werden. Der IWF sei bereit, mit den Erfahrungen aus dem Katastrophenmanagement zu unterstützen und durch Erleichterungen beim Schuldendienst.

Das Virus trifft die internationale Reisetätigkeit enorm. Am Sonntagabend stellte Österreich den Zugverkehr über den Brenner von Italien ein. Großveranstaltungen wie die weltweit wichtigste Mobilfunk-Messe in Barcelona wurden abgesagt oder auch die Automesse in Peking.

Als weitere Krisenregion zeichnete sich am Wochenende Iran ab. Irans Behörden nannten Todesfälle und eine steigende Zahl von Infektionen. Laut Gesundheitsministerium starben bisher acht Menschen, 43 weitere in mindestens fünf Städten seien infiziert; in fast 800 Fällen besteht ein Verdacht. Die ersten Toten wurden am Mittwoch in der Stadt Qom gemeldet. Die Behörden gehen nach eigenen Angaben davon aus, dass das Virus mit chinesischen Arbeitern ins Land gekommen ist.

Nach den Ausbrüchen in Iran hat die Türkei die Übergänge zum Nachbarland abgeriegelt

Dessen ungeachtet hatte Iran am Freitag die Parlamentswahl abgehalten und auch das Freitagsgebet, zu dem sich in Qom und anderen Städten jeweils Zehntausende versammeln. Inzwischen sind Infektionen auch in Teheran nachgewiesen. Die Regierung ordnete an, die Universitäten in zehn Provinzen zu schließen, die Schulen in Teheran bleiben ebenfalls für mindestens drei Tage zu. Öffentliche Veranstaltungen wurden abgesagt. Die Spiele der ersten Fußballliga wurden ohne Zuschauer ausgetragen. Als Vorsichtsmaßnahme schloss die Türkei ihre Grenze zu Iran, wie Gesundheitsminister Fahrettin Koca mitteilte. Alle Fernstraßen und Eisenbahnlinien würden gesperrt, Flüge aus dem Nachbarstaat ausgesetzt. Irak erließ ein Einreiseverbot für alle Nichtiraker aus Iran. Alle Pilgerfahrten von Iran in das Nachbarland wurden abgesagt, nachdem Iraqi Airways die Flüge nach Iran eingestellt hatte. In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden zwei iranische Touristen positiv getestet, in Libanon eine Frau, die aus Qom zurückgekehrt war.

Das Gesundheitssystem in Iran ist wegen der Auswirkungen der US-Sanktionen geschwächt; viele Medikamente sind nicht verfügbar oder werden ins Land geschmuggelt und zu weit überhöhten Preisen verkauft. Zwar sind Medikament und andere humanitäre Güter von den Sanktionen ausgenommen, Lieferungen scheitern aber daran, dass Banken sich weigern, die Finanzierung abzuwickeln. Hinzu kommt, dass die iranischen Behörden zu Vertuschung neigen - Iran hatte im Januar mehrfach Corona-Fälle dementiert. Gemessen an statistischen Erfahrungswerten aus anderen Ländern dürfte die Zahl der Infektionen derzeit schon wesentlich höher liegen.

In China stieg die Zahl der Todesopfer am Sonntag auf 2441 Menschen. In der besonders betroffenen Provinz Hubei stieg die Zahl der Toten zuletzt jeden Tag um meist mehr als 100 Menschen. In mindestens fünf Gefängnissen kam es zu Infektionen, mehr als 500 Inhaftierte sollen betroffen sein. Im ganzen Land sind nun fast 77 000 Menschen erkrankt.

Große Teile der Wirtschaft in China standen aufgrund des Ausbruchs in den vergangenen Wochen praktisch still. In einigen Regionen haben Firmen auf Druck der chinesischen Regierung hin wieder angefangen zu arbeiten, um weitere Schäden abzuwenden. Schulen, Universitäten und viele Firmen bleiben aber geschlossen. Chinas Regierung hat umfangreiche Maßnahmen erlassen, um die Wirtschaft zu stützen.

In Südkorea meldeten die Gesundheitsbehörden den fünften Todesfall infolge einer Corona-Infektion. Präsident Moon Jae In kündigt an, der Krankheitsalarm werde auf die höchste Stufe angehoben.

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