Folgen der Schuldenkrise:Barroso warnt Europa vor einer Spaltung

EU-Kommissionspräsident Barroso mahnt in der Krise zu Einigkeit: Eine Spaltung in EU und Euro-Zone würde nicht funktionieren. An Deutschland appelliert Barroso, es solle seiner Führungsrolle in der EU gerecht werden. Während Kanzlerin Merkel auf eine rasche Änderung der EU-Verträge drängt, werden in ihrer Partei die Rufe nach einer freiwilligen Austrittsoption für Euro-Defizitsünder lauter.

EU-Kommissionpräsident José Manuel Barroso hat vor einer Spaltung der EU in die Euro-Zone und die zehn Nicht-Euro-Staaten gewarnt. "Eine gespaltene Union würde nicht funktionieren", sagte Barroso in einer "Europa-Rede" in Berlin. Europa stehe vor der Entscheidung, ob es weiter vorangehen oder zerfallen solle.

Europa-Rede von Kommissionspraesident Barroso

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei seiner Europa-Rede in Berlin: "Eine gespaltene Union würde nicht funktionieren."

(Foto: dapd)

Eine stärkere Integration in der Euro-Zone bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik sei wichtig, dürfe aber nicht auf Kosten der Nicht-Euro-Staaten gehen. Dies sei nicht fair gegenüber Staaten wie Polen, die auch noch den Euro einführen wollen. "Die EU als Ganzes und die Euro-Zone gehören zusammen."

Ähnlich äußerte sich Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker: Er mahnte ein gemeinsames Vorgehen in der Krise an. "Europa wird kleiner und kleiner und es ist jetzt nicht an der Zeit, uns nach nationalen Kategorien zu unterteilen", sagte Juncker in Lissabon. Juncker machte die Staatsverschuldung und nicht den Euro als Ursache für die derzeitige Krise aus. "Es macht mich wütend, wenn ich höre, der Euro sei in der Krise", sagte Juncker.

Es gebe Probleme mit verschuldeten öffentlichen Haushalten in einigen Ländern der Euro-Zone, die Währung stehe aber nicht auf dem Spiel. Bei der Eindämmung der Inflation sei der Euro eine Erfolgsgeschichte, sagte der luxemburgische Ministerpräsident.

Hintergrund für die Warnungen vor einer Spaltung zwischen EU und Euro-Zone ist die Entscheidung der Euro-Zone im Oktober, sich eine eigene Struktur mit eigenen Gipfeltreffen zu geben. Im August hatten Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Kanzlerin Angela Merkel in Paris die Idee einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung in der Euro-Zone formuliert. Beim Gipfel in Brüssel schienen dann die separaten Strukturen konkrete Formen anzunehmen: Zunächst trafen sich die EU-Länder in großer Runde. Beim anschließenden Euro-Gipfel waren die zehn Nicht-Euro-Staaten unerwünscht. Einige der betroffenen Staaten hatten sich angesichts dieser Entwicklung besorgt gezeigt.

Mit Blick auf die Debatte über eine EU-Vertragsänderung sagte Barroso, dass nicht der langsamste Staat in der EU das Tempo der weiteren Integration bestimmen dürfe. Es müsse eine Absicherung geben für die, die eine weitere Integration nicht mitgehen wollten. Aber niemand in der EU dürfe die anderen an einem Fortschreiten hindern, sagte Barroso - ohne einzelne Staaten zu nennen.

Barroso kündigte zugleich an, dass die EU-Kommission eine gemeinsame Rolle mit den Euro-Staaten bei der Kontrolle der Euro-Rettungsschirme EFSF und ESM und der nationalen Haushalte vorschlagen werde. Nur die Gemeinschaftsmethode, in der die EU-Institutionen eine zentrale Rolle hätten, werde den Zerfall des Binnenmarktes und des Euro verhindern können.

Mahnung an Deutschland

Deutschland forderte der EU-Kommissionpräsident auf, seiner Verantwortung in der EU als stärkste Nation gerecht zu werden und die "zentralen Prinzipien der EU" zu achten. Die Bundesregierung solle "Führung in Partnerschaft" zeigen. "Führung heißt, etwas möglich zu machen, was nötig ist."

Am Vortag hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine rasche Änderung der EU-Verträge und eine Wende in der Europa-Politik ausgesprochen. "Es ist Zeit für einen Durchbruch zu einem neuen Europa", sagte Merkel.

Es reiche nicht nur, gute Absichtserklärungen abzugeben. Es gehe um einen Weg in eine Stabilitätsunion und um wirkliche Strukturveränderungen - auch in den EU-Verträgen. "Ohne das wird es nicht gehen", sagte Merkel. Es gehe nicht nur um eine Lösung der Schuldenkrise, sondern um eine "Wende zu mehr Nachhaltigkeit", dies sei ohne neue vertragliche Veränderungen nicht möglich.

Die Bundesregierung möchte dabei unter anderem Eingriffsrechte der europäischen Ebene in die nationale Haushaltspolitik von notorischen Defizitsündern der Euro-Zone festschreiben lassen. Der letzte Euro-Zonen-Gipfel hatte auf deutschen Druck hin beschlossen, dass EU-Kommissionspräsident Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy bis Dezember Vorschläge vorlegen sollen.

CDU streitet über Austrittsoption für Euro-Defizitsünder

In der CDU wird derweil der Ruf nach einer freiwilligen Austrittsoption für Euro-Defizitsünder offenbar lauter. In der Antragskommission für den Leipziger Parteitag sei darüber heftig debattiert worden, berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Sitzungsteilnehmer.

Wenn ein Mitgliedsstaat die Regeln der Währungsunion dauerhaft nicht einhalten könne oder wolle, solle er "freiwillig aus der Euro-Zone ausscheiden" können, ohne die EU verlassen zu müssen, zitierte die Financial Times Deutschland aus einer ihr vorliegenden Beschlussempfehlung der CDU-Führung für den Parteitag Anfang kommender Woche. Eine Mehrheit für den Ausschluss einzelner Mitgliedsstaaten hatte es dem Handelsblatt-Bericht zufolge in der Kommission nicht gegeben.

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