Folgen der Schlecker-Insolvenz:Von der Kasse in die Kita

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Wirtschaftsminister Rösler hatte noch kühl von der "Anschlussverwendung" gesprochen, Ursula von der Leyen hingegen will den arbeitslosen Schlecker-Frauen "beherzt ein Angebot machen".

Nico Fried, Berlin

Ursula von der Leyen (CDU) hat ein Gespür für den geeigneten Moment, sich als Kümmerin zu präsentieren. Im März, als noch eine vage Aussicht bestand, die Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker mit einer Transfergesellschaft aufzufangen, engagierte sich die Bundesarbeitsministerin gut sichtbar an der Seite von Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) für eine solche Lösung. Damals appellierte sie auch noch öffentlich an die Beteiligten, sich zu verständigen.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen:  Neue Perspektiven für Schleckerfrauen (Foto: dpa)

Als die Pläne für eine Transfergesellschaft am Widerstand der FDP scheiterten, tauchte die Ministerin plötzlich ab. Schmid wurde wegen seiner angeblich von Beginn an aussichtslosen Bemühungen als Anfänger verlacht, Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) prägte das Wort von der "Anschlussverwendung" für die Schlecker-Frauen. Von der Leyen hielt sich öffentlich raus. Bei Niederlagen ist sie offenbar nicht so gerne mit im Bild wie bei Erfolgen: Unvergessen ihre gemeinsame Fahrt mit dem Finanzinvestor Nicolas Berggruen auf der Rolltreppe einer Karstadt-Filiale nach der Rettung des Kaufhauskonzerns.

Gestern dann bat von der Leyen überraschend die Presse ins Ministerium. Thema: Schlecker. Gemeinsam mit dem Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, und dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, äußerte sich die Ministerin zu den Perspektiven der von Arbeitslosigkeit bedrohten Frauen.

Umschulung in "Mangelberufe" geplant

Gut sind die nicht. Von den 11.000 in der ersten Kündigungswelle entlassenen Frauen sind mehr als zwei Monate später zwar 5000 wieder aus der Arbeitslosigkeit abgemeldet, etwa die Hälfte davon befindet sich aber nur in Fördermaßnahmen. In welche Art Jobs die übrigen Frauen gekommen sind, ist ungewiss. Bsirske berichtete von Einzelfällen, in denen Schlecker-Frauen von der Arbeitsagentur unbezahlte Praktika angeboten worden seien. Insgesamt suchen nach der endgültigen Insolvenz der Firma 25.000 Angestellte neue Jobs. Sie träfen in der Einzelhandelsbranche derzeit bundesweit auf 360.000 Arbeitssuchende und 25.000 unbesetzte Stellen, so Bsirske.

Er und von der Leyen raten den Frauen nun dazu, sich in sogenannte Mangelberufe umschulen zu lassen. Gemeint sind vor allem: Erzieherinnen für Kindertagesstätten und Altenpflegerinnen. In strukturschwachen Regionen seien die Chancen, eine neue Stelle im Einzelhandel zu finden, nicht besonders groß, so die Ministerin. Dafür würden dort "händeringend" Erzieherinnen und Altenpflegerinnen gesucht. Von der Leyen verwies auf eine bestehende "Initiative zur Flankierung des Strukturwandels", aus der Mittel genutzt werden könnten, um die Umschulung zu bezahlen.

Von der Leyen wie auch Bsirske betonten, dass die Standards der Berufe gewahrt bleiben sollten. Niemand rede hier von einer "Schmalspurausbildung", sagte Bsirske. Die Ministerin wiederum warnte indirekt davor, die arbeitslosen Frauen als untauglich abzustempeln. "Sie sind selbstverständlich so gut wie jeder andere geeignet, als Erzieherinnen zu arbeiten." Man wolle "beherzt ein Angebot machen" und würde sich freuen, wenn "viele Arbeitssuchende es annehmen würden". Für die Dauer der mindestens zweijährigen Umschulung erhalten die Frauen Arbeitslosengeld, also 67 Prozent ihres letzten Lohnes.

Familienministerin Kristina Schröder begrüßte die Ankündigung von der Leyens. "Es geht hier nicht darum, jemanden in eine Umschulung zu pressen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass unter diesen lebenserfahrenen Frauen viele mit Freude und Engagement diese neue berufliche Chance ergreifen wollen", sagte sie der Süddeutschen Zeitung.

"Bei der Suche nach qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern müssen wir möglichst breit aufgestellt sein", sagte Schröder. Dabei werde streng auf die Qualität der Aus- und Weiterbildungsinitiativen geachtet, "denn wir arbeiten hier in einem sehr sensiblen Bereich", so die Familienministerin. "Ich könnte mir vorstellen, dass auch andere Fachressorts noch auf bislang unbekannte oder zu wenig beachtete Möglichkeiten stoßen, den Kita-Ausbau voran zu bringen."

© SZ vom 08.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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