Süddeutsche Zeitung

Folgen der NSA-Affäre:Brasilien und EU planen gemeinsames Datenkabel

Bislang läuft der Internet-Datenverkehr zwischen Brasilien und Europa über die USA. Das soll sich nun ändern - auch wegen der NSA-Affäre.

Von Javier Cáceres, Brüssel

Lateinamerikaner und Europäer pflegen überaus enge kulturelle Bande, angesichts der Entfernung zwischen den beiden Kontinenten gerät das gerne mal in Vergessenheit. In Zeiten des Internets sollen diese Bande nun noch enger werden. Mit einem Glasfaserkabel sollen die Alte und die Neue Welt kommunikationstechnisch näher zusammenrücken - und das wäre auch eine gute Möglichkeit, in Zeiten der zunehmenden Überwachung im Internet die USA und ihren wissbegierigen Geheimdienst NSA zu umgehen.

An diesem Montag reist Präsidentin Dilma Rousseff nach Brüssel zum EU-Brasilien-Gipfel. Dort wird es nicht nur um Handel, Finanzen oder den Blick auf lateinamerikanische und europäische Krisenherde gehen, etwa Venezuela und die Ukraine. Sondern möglichst noch in diesem Jahr soll auch die Arbeit an einem gigantischen Glasfaserkabel zwischen Europa und Brasilien beginnen.

Der Traum von einer neuen langen Leitung wird schon seit Längerem geträumt. Richtige Eile ist aber, wie hochrangige EU-Beamte erklären, erst jüngst entstanden. Immer mehr wird den Europäern und den Brasilianern nämlich bewusst, wie sehr sie von den amerikanischen Nachrichtendiensten überwacht werden. Auch das Telefon von Präsidentin Rousseff wurde - ähnlich wie das der deutschen Kanzlerin Angela Merkel - bespitzelt. Aus Verärgerung darüber hatte Brasiliens Staatschefin unter anderem ein Treffen mit US-Präsident Barack Obama abgesagt.

Nur eine alte überlastete Verbindung

Die Kommunikation zwischen Lateinamerika und Europa ist vergleichsweise anfällig, und das in vielfacher Hinsicht. Es gibt nur eine einzige direkte, 8500 Kilometer lange Telekommunikationsverbindung zwischen Europa und Brasilien. Sie reicht von Lissabon nach Fortaleza im brasilianischen Nordosten und trägt den Namen "Atlantis II". Sie gilt, weil sie aus dem Jahr 2000 stammt, als alt und überlastet, sodass sie nur für die Übertragung von fernmündlichen Gesprächen verwendet werden kann. Für den Internet-Datenverkehr ist sie nicht geeignet. Diese transatlantischen Verbindungen Brasiliens laufen über drei weitere Unterseekabel. Und diese führen allesamt über die USA.

Das ist nicht nur potenziell unsicher, sondern auch langsamer und teurer als die Direktverbindung. Deshalb drückt die staatlich kontrollierte Fernmeldegesellschaft TeleBras jetzt aufs Tempo. Sie hat zusammen mit dem spanischen Unternehmen Islalink ein Joint Venture gegründet, an dem sich bis Mitte des Jahres weitere Firmen beteiligen sollen. Auch jenseits der brasilianischen Grenzen soll es Interesse geben, bei dem Projekt mitzumachen. Und Brasilien will auch seine Verbindungen ins kontinentale Hinterland verbessern.

In Brüssel ist zu hören, es werde intern geprüft, ob und in welchem Umfang sich die EU mit öffentlichem Geld an der Leitung beteiligt. Mit konkreten Aussagen hält man sich freilich zurück. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy unterstrich aber, dass der Cyberspace der Bereich sei, in dem die Zusammenarbeit zwischen Europa und Brasilien intensiviert werden solle - "damit wir die Vorzüge neuer Technologien sicher nutzen und ein freies und offenes Internet" geschützt bleibe, wie er sagte. Vor Feinden, aber auch vor Freunden.

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SZ vom 24.02.2014/ebri
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