Süddeutsche Zeitung

Föderalismus in Deutschland:"Nur noch sechs oder acht Bundesländer"

  • "Nur noch sechs oder acht Bundesländer": Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bringt eine radikale Neuordnung der Bundesrepublik ins Spiel.
  • Damit will sie ärmere Länder entlasten. Das sei nötig, ansonsten sehe sie das im Grundgesetz festgelegte Ziel gleicher Lebensverhältnisse in Gefahr.

Von Guido Bohsem und Susanne Höll, Saarbrücken

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hält eine radikale Neuordnung der Bundesrepublik für nötig, falls es bei der Reform des Finanzausgleichs zu keiner Entlastung der armen Länder kommt. "Wir würden dann darüber reden müssen, wie wir uns in Deutschland insgesamt zukunftsfähig aufstellen, konkret, ob es künftig nur noch sechs oder acht Bundesländer gibt, statt der bisherigen 16 Länder", sagte die CDU-Politikerin in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Kramp-Karrenbauer stellt damit ein Grundprinzip des politischen Denkens in Deutschland infrage, das auch ärmeren Ländern eine hohe Eigenständigkeit zubilligt. In den aktuellen Verhandlungen vermissen die Regierungen etwa im Saarland und in Bremen jedoch die Solidarität der anderen Länder und des Bundes.

Die Regeln, nach denen die Steuereinnahmen in Deutschland verteilt werden, laufen 2019 aus. Derzeit wird um eine Neuordnung gerungen. Weil sie wegen der Schuldenbremse zudem 2020 ohne neue Kredite auskommen müssen, fürchten die armen Länder um ihre Handlungsfähigkeit. Die reichen Länder hingegen sehen sich durch ihre Zahlungspflichten überfordert - Bayern und Hessen waren deshalb vor das Verfassungsgericht gezogen.

Schulden aus den vergangenen Jahrzehnten

Nach Kramp-Karrenbauers Worten sind es vor allem die Schulden aus den vergangenen Jahrzehnten, die das Saarland belasten - nämlich das Geld, das zur Bewältigung der Krise der Bergbauindustrie eingesetzt worden sei. Für diese Altschulden sei eine Regelung im Länderfinanzausgleich notwendig. Ansonsten könnten das Saarland und auch andere Länder die Schuldenbremse nicht einhalten. Eine solche Entwicklung würde nach Worten der Ministerpräsidentin die föderale Ordnung infrage stellen. In der Bevölkerung sehe sie keine große Begeisterung für das Zusammenlegen von Bundesländern, sagte Kramp-Karrenbauer. Doch stießen die armen Länder beim Sparen inzwischen an ihre Grenzen. Und damit sei das grundgesetzlich festgeschriebene Ziel gleicher Lebensverhältnisse nicht mehr zu erfüllen. Die Schuldenbremse will die Ministerpräsidentin jedoch nicht lösen. Das Instrument sei grundsätzlich vernünftig.

Unterdessen zeichnet sich ab, dass mit einer Einigung auf Eckpunkte eines neuen Länderfinanzausgleichs in diesem Jahr wohl nicht mehr zu rechnen ist. Anders als zwischenzeitlich angestrebt, werde es wohl nicht gelingen, schon im Dezember Eckpunkte festzulegen, hieß es an mehreren Stellen am Rande eines Treffens der Finanzminister von Bund und Ländern.

Die von Kramp-Karrenbauer angemahnte Regelung über den Umgang mit den Altschulden ist nur ein Streitpunkt. Nordrhein-Westfalen pocht darauf, die Verteilung der Umsatzsteuer neu zu regeln. Das derzeitige Verfahren koste sein Land etwa 2,37 Milliarden Euro im Jahr, sagte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Einig sind sich die Länder bislang nur, dass die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag weiter fließen sollen.

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SZ vom 24.10.2014/mane
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