Föderalismus:Die Mutter aller Reformen

Lesezeit: 2 Min.

Selten hat sich eine so fundamentale Reform hinter einem so sperrigen Namen versteckt: Die Föderalismusreform hat nichts Geringeres zum Ziel, als die deutsche Bundesrepublik neu zu organisieren. Und die Sache sieht gar nicht so schlecht aus.

Von Heribert Prantl

Das Grundgesetz hat eine glänzende Vergangenheit: Keine deutsche Verfassung hat länger gegolten, keine hat das politische und gesellschaftliche Leben intensiver geprägt, keine hat solche Wertschätzung genossen. In diesen Tagen entscheidet sich, welche Zukunft dieses Grundgesetz hat.

Es entscheidet sich, ob es gelingt, die Fehlentwicklungen im politischen System der Republik zu korrigieren, ob es gelingt, die Balance der Macht zwischen Bund und Ländern wieder gut zu justieren und so die Leistungskraft der deutschen Staatsverfassung unter heutigen Bedingungen zu bewahren. Die Sache sieht gar nicht so schlecht aus. Das Land steht vor einem Ende der politischen Aporie.

Selten hat sich eine so fundamentale Reform hinter einem so sperrigen Namen versteckt: Föderalismusreform heißt das Projekt, das nichts Geringeres zum Ziel hat, als die deutsche Bundesrepublik neu zu organisieren. Zu Recht nennt der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber - er ist zusammen mit SPD-Chef Franz Müntefering Vorsitzender der Föderalismuskommission - dieses Projekt die "Mutter aller Reformen".

Einiger als erwartet

Von seinem Gelingen hängt nämlich die Politik der nächsten Jahrzehnte ab. Die Propheten des Scheiterns werden nicht Recht behalten. Stoiber, der juristische Tüftler, und Müntefering, der Nicht-Jurist, der sich bemerkenswert gut in die komplexe Materie eingearbeitet hat, sind sich in weit mehr Streitfragen einig, als man hatte erwarten können.

Nicht alle Ergebnisse sind gut genießbar: Im Bereich der Zuständigkeit für Bildung wird es problematische Kompromisse geben, für das Bundeskriminalamt einen Machtzuwachs, und der komplizierte Artikel 23 Grundgesetz, der den Ländern überzogene Mitspracherechte auf europäischer Ebene gewährt, wird auch künftig nur um ein Weniges weniger kompliziert sein.

Die Länder beharren auf einer ländereigenen Außenvertretung auf EU-Ebene jedenfalls in den Bereichen Bildung und Kultur; das ist heikel genug. An den schwerfälligen Abstimmungsprozeduren zwischen Bund und Ländern auf europäischer Ebene soll sich kaum etwas ändern. Das ist misslich. Solche Schwachstellen wird man aber akzeptieren können im Interesse einer Gesamtreform, die bestrebt ist, nicht auf vielen Feldern wenig, sondern auf wenigen Feldern ganze Kompetenzen an die Länder zurückzuübertragen.

Das Reformkonzept, das in Kürze aus der Werkstatt Müntefering/Stoiber kommt, ist ein Rohling. Es wird daran zwar keine grundlegenden Änderungen mehr geben. Aber es wird im Zug des parlamentarischen Umsetzungsprozesses - die Reform bedarf der Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat - noch einiges geschweißt, gelötet und geschliffen werden müssen. Bei jedem Arbeitsschritt wird der Auftrag der Reform zu beachten sein. Er lautet: Den Bundestag stärken, die Landtage stärken, die Bedeutung des Bundesrats reduzieren, den Vermittlungsausschuss schwächen.

© SZ vom 13.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: