Nordrhein-Westfalen:"Nie weitergeleitet"

Hochwasser in Deutschland: Bad Münstereifel nach der Flutkatastrophe 2021

Die von der Flut schwer getroffene Stadt Bad Münstereifel.

(Foto: Friedrich Bungert/Friedrich Bungert)

Laut internen Notizen des NRW-Innenministeriums fehlten den Städten und Kreisen während der Flutkatastrophe wichtige Berichte zur drohenden Hochwassergefahr.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Viele Städte und Kreisbehörden in Nordrhein-Westfalen haben unmittelbar vor der verheerenden Hochwasser-Katastrophe im Juli vorigen Jahres offenbar wichtige Warnungen vor drohenden Überflutungen nicht erhalten. Das ergab die jüngste Anhörung wichtiger Mitarbeiter des NRW-Innenministeriums im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ("PUA Flut") des Düsseldorfer Landtags. Sogenannte "Hydrologische Lageberichte" vom 13. bis 15. Juli, die vor "extrem ansteigenden Wasserständen" und wahrscheinlichen Überflutungen warnten, wurden von der Landesregierung zwar an ihre fünf Bezirksregierungen übersandt. Diese regionalen Mittelbehörden haben die Lageberichte jedoch offenbar nicht an die Städte und Kreise weitergeleitet. Bei der Flut waren allein in NRW 49 Menschen ums Leben gekommen.

Das NRW-Innenministerium hatte in den Wochen nach der Sommerflut intern eine Aufarbeitung des Managements der Flutkatastrophe unternommen. Im Rahmen dieser Untersuchung ging es auch darum, an wen die "Hydrologischen Lageberichte" des Umwelt-Landesamts (LANUV) verschickt wurden. Abgeordnete von SPD und Grünen kritisieren seit Wochen, die schwarz-gelbe Landesregierung habe die Kommunen und die Bürger Mitte Juli 2021 zu spät vor dem Hochwasser gewarnt. Die Landesregierung hatte stets erwidert, Entscheidungen zur Alarmierung oder Evakuierung der Bevölkerung sei Sache der lokalen Behörden gewesen.

Die Warnungen erreichten die Kommunen nicht

Der SZ liegt eine Mail der Regierungspräsidentin von Münster Dorothee Feller vor, die am 17. August 2021 die zuständige Abteilungsleiterin im Innenministerium erreichte. Darin erklärt Feller wörtlich: "Wir haben den Hydrologischen Lagebericht des LANUV nie (...) weitergeleitet" an die Städte und Kreise. Die Regierungspräsidentin von Münster ergänzt, diese Vorgehensweise habe für alle fünf Bezirksregierungen gegolten, also auch für die Regionen im Süden des Ruhrgebiets und im Raum zwischen Aachen und Köln, wo die Flut besonders gewütet hatte. Weder die Dezernate für Hochwasserschutz noch das jeweilige Dezernat für Katastrophenschutz, so Feller weiter, hätten die LANUV-Warnungen bisher den Kommunen mitgeteilt. Unter dem Eindruck der Katastrophe regte die Spitzenbeamtin zudem an, eine landesweite "Hochwasservorhersage-Zentrale" neu zu schaffen.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) jedoch erfuhr von diesen Mängeln in den Informationsketten fünf Monate lang - nichts. Bei der Anhörung vor dem Düsseldorfer Untersuchungsausschuss am späten Freitagabend musste ein Ministerialrat auf Nachfragen von SPD-Abgeordneten einräumen, dass hohe Beamte des Innenministeriums vorigen August übereingekommen waren, die Hinweise aus Münster aus dem Entwurf einer Vorlage für den Minister zu streichen. Die Informationen habe ihr die Regierungspräsidentin nur "persönlich und vertraulich zugeschickt," hatte zuvor die zuständige Abteilungsleiterin per Mail drei enge Mitarbeiter gemahnt. Nach SZ-Informationen weiß Reul erst seit diesem Wochenende von dem Vorgang.

Das Hochwasser-Meldesystem soll vereinheitlicht werden

Das Innenministerium war während des wochenlangen Hochwasser-Einsatz für den Katastrophenschutz zuständig. Seit dem 6. August 2021, also erst nach der Flut, gehen die "Hydrologischen Lageberichte" des Landesumweltamtes LANUV nun auch direkt an Reuls Haus. Allerdings bemängeln auch Ministerialbeamte, die LANUV-Lageberichte zur Hochwassergefahr "seien lokal unpräzise" und "in einer für Laien schwer verständlichen Sprache" verfasst gewesen.

Umweltministerin Ursula Heinen-Esser hat im Januar angekündigt, das Hochwasser-Meldesystem im Land zu vereinheitlichen. Auch müssten Flutwarnungen für die Bevölkerung verständlicher werden. Kritik über zu späte Warnungen ihres Umweltamtes oder der Bezirksregierungen an Städte und Gemeinden hatte die Ministerin in einem Bericht für den Landtag im August 2021 zu widerlegen versucht. Allerdings zielte die damalige Analyse auf die Meldungen von Pegelstände an Flüssen - und nicht auf die LANUV-Lageberichte.

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