Hochwasser 2021:Zu wenig Personal, um zu warnen?

Liegengebliebene Autos auf der B256 in Erftstadt-Liblar 2021. Die Fahrer konnten sich in Sicherheit bringen.

Liegen gebliebene Autos auf der B256 in Erftstadt-Liblar 2021. Die Fahrer konnten sich in Sicherheit bringen.

(Foto: Christoph Hardt/Imago)

In Nordrhein-Westfalen fehlte den Behörden offenbar das Fachpersonal, um die Bevölkerung früher vor der Sommerflut zu warnen.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Fehlte dem Land Nordrhein-Westfalen das Fachpersonal, um die Bevölkerung im Juli vorigen Jahres rechtzeitig vor der Jahrhundert-Flut zu warnen? Interne Dokumente der NRW-Landesbehörden und neue Zeugenaussagen im Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags zur Hochwasser-Katastrophe offenbaren: Das zuständige Landesumweltamt (Lanuv) verfügte unmittelbar vor der Katastrophe über keine Hochwasser-Vorhersagen. Zudem war der einzige Hydrologe, der im Lanuv ein über Jahre entwickeltes Vorhersage-Modell bedienen konnte, im Urlaub. Der Sprecher der oppositionellen SPD im Ausschuss Stefan Kämmerling bemängelte, die Zustände grenzten "an Organisationsversagen."

Vor dem Ausschuss räumte ein Referatsleiter des Landesumweltamtes nun ein, bei Hochwasser-Vorhersagen komme "Nordrhein-Westfalen nicht an den Standard, den andere Bundesländer haben." Der Lanuv-Mitarbeiter hatte bereits intern nach der Flut bemängelt, "dass wir nicht gut aufgestellt sind." In einer Email an seinen Lanuv-Chef Thomas Delschen schrieb der Referatsleiter, das Fehlen von Hochwasser-Vorhersagen sei im Vergleich zu anderen Bundesländer "fachlich nicht tragfähig und macht uns angreifbar."

Chronische Personalmängel im Bereich der Hochwasser-Warnungen in NRW bemängelt auch die "Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA)" der deutschen Umweltminister-Konferenz. In einer Analyse vom Januar 2021 heißt es, die NRW-Hochwasserzentrale im Lanuv verfüge nur über ein Drittel des erforderlichen Personals. In der Rubrik "Hydrologe, sehr gut vertraut" zählt der LAWA-Bericht sogar nur 15 Prozent des Personals, das im Falle eines extremen Hochwasser für einen 24-Stunden-Schichtbetrieb nötig sei.

Im Umweltministerium befürchtete man einen Imageschaden

Kritiker wie der TV-Wetterexperte Jörg Kachelmann hatten den NRW-Behörden wiederholt vorgeworfen, sie hätten die Menschen zu spät über die Hochwassergefahr etwa östlich von Aachen alarmiert. Kachelmanns Wetterdienst hatte per Live-Ticker am Abend des 13. Juli - also 24 Stunden vor dem Flut-Höhepunkt - vor Regenfällen bis zu 200 Liter pro Quadratmeter gewarnt.

Im NRW-Umweltministerium befürchtete man deshalb nach der Flut einen Imageschaden. Ein Abteilungsleiter warnte Mitte August intern, wenn sich diese Deutung durchsetze, dann sei "das Lanuv politisch mit seinen Handlungen tot." Ein FDP-Abgeordneter hielt dem Ministerialdirigenten im Ausschuss eine Mail vom Abend des 14. Juli 2021 vor. Zu einem Zeitpunkt, da etliche NRW-Kommunen bereits unter Wasser standen, soll der Beamte seine Untergebenen gefragt haben: "Was sind die Gründe für die Überschwemmungen?"

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:"Nie weitergeleitet"

Laut internen Notizen des NRW-Innenministeriums fehlten den Städten und Kreisen während der Flutkatastrophe wichtige Berichte zur drohenden Hochwassergefahr.

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