Flughafen Hahn:Malu Dreyers Regierung steht vor einem Scherbenhaufen

Lesezeit: 4 min

Reisende kennen den Flughafen Hahn wegen der günstigen Angebote für Ferienflieger, rheinland-pfälzische Finanzminister wegen der notorischen Verluste, die das Land ausgleichen muss. (Foto: Thomas Frey/dpa)
  • Der mit Verve angekündigte Verkauf des Regionalflughafens Hahn an einen offenkundig windigen chinesischen Investor ist so gut wie geplatzt.
  • Regierungschefin Dreyer hatte sich über den chinesischen Investor recht angetan geäußert
  • Die Koalitionspartner FDP und Gruppen wollen in den Schlamassel keinesfalls hineingerissen werden, sie sehen den Flughafen als Problem der SPD.

Von Susanne Höll

In Deutschland ist es Usus, neuen Regierungen 100 Tage Zeit zu geben, bevor man sie hart kritisiert. Für die von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) geführte Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz ist diese Schonfrist allerdings schon vorher abgelaufen. Nach nur sieben Wochen steht die Regierung vor einem Scherbenhaufen: Der mit Verve angekündigte Verkauf des Regionalflughafens Hahn an einen offenkundig windigen chinesischen Investor ist so gut wie geplatzt, mit allerlei höchst unerfreulichen Folgen für die Politik und die Region rund um den Airport.

Es knirscht im frisch geschmiedeten rot-gelb-grünen Bündnis, die Regierung muss sich Hohn und Spott gefallen lassen. Die SPD, die gerade noch ihren Erfolg bei der Landtagswahl im März bejubelt hatte, steckt in einer Vertrauenskrise, das Image der bislang sehr beliebten Ministerpräsidentin leidet. Und der hoch defizitäre Flughafen im Hunsrück, von dem sich Dreyers Vorgänger Kurt Beck (SPD) einst einen Wachstumschub für die strukturschwache Region erhofft hatte, wird womöglich doch schließen müssen - nachdem er jahrelang mit zig Millionen aus dem Landeshaushalt finanziert worden ist. Für die Koalition, insbesondere die Sozialdemokraten, ist dies ein politisches Debakel.

Zumal die rheinland-pfälzische SPD in den vergangenen Jahren schmerzhafte Erfahrungen mit staatlichen Großinvestitionen gemacht hat. Der einst von Beck als Strukturhilfe für die Eifel geplante Freizeitpark am Nürburgring endete in einem Desaster. Beck musste auch deshalb sein Amt aufgeben, drei seiner früheren Minister verloren ihren Job. Auch dort spielte am Ende ein zweifelhafter Investor eine unrühmliche Rolle. Haben Dreyer und ihre Leute nichts aus diesen Erfahrungen gelernt?

Luftfahrt
:Regionalflughäfen haben sich überlebt

Lange träumte fast jeder Landstrich von seinem eigenen Flughafen. Am Ende wurde nur viel Geld versenkt.

Kommentar von Caspar Busse

Den kleinen Partnern schwant nichts Gutes

Er habe sehr wohl daraus gelernt, sagt der zuständige Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD). Es habe sofort nach den ersten Warnhinweisen das Gesetzgebungsverfahren zum Verkauf gestoppt. "Ich glaube, dass ich meiner Verantwortung nachgekommen bin", sagt er. Ein Investor aus Shanghai wollte den Flughafen für eine Summe von zehn oder zwölf Millionen Euro übernehmen, zahlte dann aber nicht, weil er angeblich keine Erlaubnis des chinesischen Staates für Geldtransfers nach Deutschland hatte; er ist überprüft worden, unter anderen von Experten der Wirtschaftsberatung KPMG. Auch mancher in der Koalition sagt, Lewentz habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

Andere sind vorsichtiger. FDP und Grüne weisen unverhohlen darauf hin, dass der Verkauf Sache der SPD sei und der Minister die Dinge jetzt richten müsse. Die beiden Parteien hatten nie etwas vom landeseigenen Regionalflughafen gehalten, er war ein Herzensprojekt der SPD. Den kleinen Partnern schwant nichts Gutes. "Sehr ernste Situation", sagt einer aus ihren Reihen. Wie geht es jetzt weiter? "Keine Ahnung". In den Schlamassel wollen sie keinesfalls hineingerissen werden.

Schon wird über die Ablösung von Lewentz spekuliert, der auch SPD-Landesvorsitzender ist. Als die Nürburgring-Affäre der SPD vor eineinhalb Jahren arg zusetzte, löste Dreyer den damaligen Fraktionsvorsitzenden Hendrik Hering und Finanzminister Carsten Kühl (beide SPD) ab, weil sie in die Affäre verwickelt waren. Auch Lewentz war mit dem Projekt befasst gewesen - er durfte aber bleiben, vielleicht auch deshalb, weil er als Parteichef gebraucht wurde.

Jetzt sagt Lewentz zum Fall Hahn: "Ich habe nicht vor, zurückzutreten."

Ein Abgang des Innenministers würde am Hahn-Debakel auch nichts ändern. Und die oberste politische Verantwortung für das Projekt trägt Ministerpräsidentin Dreyer. Sie hatte sich über den seltsamen chinesischen Investor ursprünglich recht angetan geäußert.

Was passiert nun? Dass die chinesische Firma vertragstreu wird und das ausstehende Geld zahlt, glaubt in Mainz niemand mehr. Die Landesregierung behält sich rechtliche Schritte gegen das Unternehmen vor. Eine Lösung für den Problem-Flughafen erreicht sie damit nicht. Womöglich wird sie mit zwei anderen Firmen reden, die ursprünglich auch Interesse an Hahn gehabt hatten. Beide sind ebenfalls in chinesischen Händen. Ob ihre Geschäftsmodelle für den Flughafen überzeugender sind, kann derzeit niemand sagen.

Wohl oder übel wird sich die Regierung auch mit der Frage beschäftigen müssen, ob man den Airport doch schließen muss, wenn sich kein geeigneter Käufer finden sollte. Spätestens vom Jahr 2024 an darf das Land gemäß einer EU-Richtlinien kein Steuergeld mehr in den Flughafen stecken. Bislang hatte die SPD eine Schließung strikt abgelehnt, mehr als 300 Arbeitsplätze gingen dann verloren, die Zuschüsse vergangener Jahre wären perdu. Doch es gibt kein Unternehmen aus Europa, geschweige denn aus Deutschland, das in der Branche etabliert ist und einen Regionalflughafen übernehmen möchte, nicht einmal einen vergleichsweise gut ausgestatteten wie den in Hahn.

Andere Bundesländer haben ähnliche Probleme

Die Träume von einem florierenden Airport im Hunsrück haben sich zerschlagen; die SPD in Mainz wird sich entscheiden müssen zwischen einem Ende mit Schrecken oder einem Schrecken ohne Ende. Andere Bundesländer, die ebenfalls in unwirtschaftliche Kleinflughäfen investiert haben und die Verluste aus der Staatskasse begleichen, stehen vor ähnlichen Problemen.

Im Mainzer Landtag wird es schon bald unangenehm werden für die Ministerpräsidentin. Die CDU, die größte Oppositionsfraktion, hat für Donnerstag kommender Woche eine Sondersitzung zu dem Debakel beantragt. Deren Chefin Julia Klöckner bezichtigt Dreyer, die Öffentlichkeit mit ihren Hahn-Versprechen hinters Licht geführt zu haben. Die Christdemokraten hatten schon früh daran gezweifelt, dass es bei dem Deal mit dem chinesischen Investor mit rechten Dingen zugehen könne.

Vonseiten der SPD wurden sie deswegen hart angegriffen. Die CDU rede das Projekt schlecht, schade dem Flughafen und der Hunsrück-Region. Die AfD-Landtagsfraktion verlangt einen Untersuchungsausschuss. Ob der kommen wird, ist allerdings fraglich, zumal er wohl jedwede Bemühungen um einen Verkauf erschweren würde. Mit etwas Glück hat die Landesregierung nach der Sitzung ein paar Ferienwochen Ruhe. Im Herbst aber geht die Affäre dann in eine neue Runde.

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Oberfranken
:Hof muss seinen Regionalflughafen künftig allein finanzieren

Der sächsische Vogtlandkreis beteiligt sich nicht mehr am Defizit. Den Betrag müssen Stadt und Landkreis nun stemmen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: