Abschiebung:Der Betroffene antwortet mit "Mama"

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Für Ausreisepflichtige am Flughafen gibt es nur einen Ausgang; ins Flugzeug. (Foto: dpa)

Haftantrag und Abschiebung - wie die Anhörung eines zwei Jahre alten Kindes aus Angola verläuft.

Von Bernd Kastner

Deutschland diskutiert über Abschiebungen: Geht es nicht konsequenter? Es geht.

Das Amtsgericht Frankfurt hat vergangenen Freitag einen Angolaner in Haft geschickt. "Der/die Betroffene wurde über den Zweck der Anhörung informiert", heißt es im Protokoll der nicht öffentlichen Sitzung. "Er/sie erklärte: Den Antrag der Bundespolizeidirektion Frankfurt a.M.-Flughafen vom 7.5.2018 habe ich erhalten. Er wurde mir heute vollständig übersetzt und in einer Kopie ausgehändigt." Die Polizei fordert, den Angolaner am Airport unterzubringen, in der Unterkunft für Flughafenverfahren. Für abgelehnte Flüchtlinge wird das Gebäude zu einer Art Gefängnis. Es gibt nur noch einen Ausgang - ins Flugzeug. Der Angolaner ist ausreisepflichtig.

Vor Gericht wurde eine "Freiheitsentziehungssache" verhandelt, die Richterin stellt fest: "Der Haftantrag ist zulässig", der Angolaner müsse bis zu seiner geplanten Abschiebung in der Unterkunft bleiben, im Transitbereich. Wer hier festsitzt, ist formal nicht eingereist nach Deutschland. "Die Haft ist auch im Hinblick darauf, dass der Betroffene minderjährig ist, verhältnismäßig", schreibt die Richterin.

Der "Betroffene" ist zwei Jahre alt.

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Während der Anhörung vor dem Amtsgericht fragt Anwalt Peter Fahlbusch den Jungen, ob er verstehe, worum es gerade gehe. Im Protokoll ist vermerkt: "Das Kind antwortet lediglich mit ,Mama'".

Auch die Geschwister des Jungen sitzen im Richterzimmer, zwei Stunden lang, sie sind fünf, neun und elf Jahre alt, berichtet der Anwalt. Fahlbusch kritisiert, dass kein Vertreter des Jugendamtes geladen wurde, und dass die Kinder seit Anfang April in der Unterkunft eingesperrt sind. Hier komme es immer wieder zu Suizidversuchen und Selbstverletzungen; allein 2017 waren es 18, dazu kommt ein Suizid.

Das Amtsgericht verteidigt sein Vorgehen: Vom Landgericht sei vorgegeben, die Kinder anzuhören. Das Jugendamt werde nur bei unbegleiteten Minderjährigen hinzugezogen, in diesem Fall aber sei ja die Mutter dabei. Die Flughafenunterkunft sei auch geeignet für die Zeit bis zur Abschiebung, heißt es im Beschluss. Im Falle eines Suizidversuchs werde die psychische Beeinträchtigung dadurch "gemildert, dass in solchen seltenen Fällen sofort eine Abschirmung zu dem Geschehen erfolgt". Die Polizei hatte zu Protokoll gegeben, dass die Familie keinen Suizidversuch miterlebt habe. Die Mutter aber berichtet von einem Ägypter, der versucht habe, sich mit einem Strick zu erhängen. Sie und die Kinder hätten das beobachtet.

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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