Süddeutsche Zeitung

Luftverkehr:Flughäfen suchen ausländische Arbeitskräfte

Die Bundesregierung sieht Unternehmen in der Pflicht, das Chaos zu beseitigen. Luftfahrtverbände fordern mehr Tempo bei staatlichen Sicherheitskontrollen.

Von Markus Balser und Constanze von Bullion, Berlin

Wegen stundenlanger Wartezeiten an Flughäfen will die Bundesregierung Luftfahrtunternehmen bei der Beschaffung zusätzlicher Arbeitskräfte unterstützen. "Es kommt zu Enttäuschungen an den Flughäfen, weil Flüge gestrichen werden oder die Abfertigung unendlich lange dauert", sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Mittwoch in Berlin. Das Problem zeige sich in ganz Europa, weil Unternehmen in der Pandemie Fachkräfte verloren hätten. Mit Arbeitsminister Hubertus Heil und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) will Wissing Airlines und Flughafengesellschaften unterstützen, kurzfristig Hilfskräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, insbesondere aus der Türkei. Auch im Inland soll geworben werden. Die Beschäftigten sollen bei Gepäckabfertigung und Check-In aushelfen, aber keine sicherheitsrelevanten Aufgaben übernehmen.

Der Staat habe die Fluggesellschaften in der Pandemie "mit Milliarden unterstützt", sagte Bundesinnenministerin Faeser bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Nun stehe die Bundesregierung den Unternehmen erneut zur Seite. "Die nötigen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse erteilen wir sehr schnell", sagte Faeser. "Wir sorgen auch dafür, dass es kein Lohndumping gibt und auch die Beschäftigten gut untergebracht werden." Die Hilfskräfte aus dem Ausland müssten die üblichen strengen Zuverlässigkeitsüberprüfungen durchlaufen. Bei der Sicherheit gebe es "keine Abstriche".

Weil der zivile Flugverkehr in der Pandemie zum Erliegen kam, haben Flugunternehmen ihr Personal drastisch reduziert. Mit dem schnellen Wiederanstieg der Buchungen fehlen nun Beschäftigte beim Bodenpersonal, an Check-Ins und beim Gepäcktransport. In diesen Tagen verschärfen stark steigende Corona-Zahlen die Personalprobleme noch. Beim Boden- und Kabinenpersonal hätten die Krankmeldungen sich innerhalb von wenigen Tagen zuletzt verdoppelt, sagte Austrian-Airlines-Chefin Annette Mann auf dem SZ-Nachhaltigkeitsgipfel.

Auch bei den Sicherheitskontrollen häufen sich offenbar Probleme. Luftfahrtverbände boten am Mittwoch an, bei den öffentlichen Aufgaben zu helfen. Man habe "der Bundesregierung angeboten, dass bei der Durchführung der staatlichen Sicherheitskontrollen an den Flughäfen auch Personal der Flughafenbetreiber zum Einsatz kommen kann", sagte eine Sprecherin des Verbands. Das Personal könne die staatlichen Kontrollen mit bestimmten Tätigkeiten unterstützen.

"Es kommt jetzt darauf an, dass alle schnell handeln"

Anders als von Airlines und Flughafengesellschaften gefordert, werde es keine Leiharbeitsverträge für ausländische Hilfskräfte geben, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum Anwerbeprogramm. Sie müssten befristet festangestellt und von den Firmen "menschenwürdig untergebracht" werden. Wie lange das dauern wird, konnte kein Regierungsvertreter beantworten. "Es kommt jetzt darauf an, dass alle schnell handeln", sagte Heil. Er sehe die Firmen in der Pflicht. "Was nicht geht: dass Unternehmen Probleme schaffen und das dem Staat vor die Tür gekippt wird."

Die Branche hofft auf 1500 bis 2000 Personen vor allem aus der Türkei und aus Balkanländern. Viele dürften allerdings erst im August kommen - und damit zu spät für den Ferienstart. Europaweit streichen Airlines Tausende Flüge, um das System zu entlasten. Allein die Lufthansa nimmt für den Sommer 3000 Verbindungen aus dem Flugplan. Airline-Chef Carsten Spohr entschuldigte sich bei den Passagieren und räumte ein, dass man nach der Pandemie-Krise beim Sparen "an der ein oder anderen Stelle übertrieben" habe.

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