Gasknappheit:Turbo für Flüssiggas

Gasknappheit: Flüssiggas-Transportschiff an einem LNG-Terminal in Rotterdam.

Flüssiggas-Transportschiff an einem LNG-Terminal in Rotterdam.

(Foto: Mischa Keijser Fotografie/Imago)

Die Bundesregierung treibt den Bau von schwimmenden LNG-Terminals voran. Noch im Winter sollen zwei davon ans Netz gehen.

Von Joshua Beer, München

An nunmehr vier deutschen Fluss- und Küstenstädten plant die Bundesregierung schwimmende Flüssiggas-Terminals auf Schiffen. Neu hinzugekommen sind zwei in Stade und Lubmin, die aber erst Ende kommenden Jahres fertig werden, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte. Die zwei Anlagen in Brunsbüttel und Wilhelmshaven, die von den Energiekonzernen Gasunie (Brunsbüttel) und Uniper (Wilhelmshaven) betrieben werden, sollen noch diesen Winter genutzt werden können und langfristig zu festen Stationen ausgebaut werden. Die Baugenehmigungen wurden im Eilverfahren erteilt. Ein fünftes Terminal soll ebenso in Lubmin entstehen, privat finanziert von der Deutschen Regas und der französischen Total Energies.

"Wir müssen innerhalb kürzester Zeit eine neue Infrastruktur aufbauen, um russisches Gas, so schnell es geht, ersetzen zu können", sagt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Hoffnung sei, bis 2024 mit Flüssiggas etwa 20 Prozent des deutschen Gasbedarfs zu decken. Dazu müssten die vier Terminals, an denen sich der Bund finanziell beteiligt, ihre volle Kapazität von 20 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr ins Stromnetz geben.

Der Vorteil von heruntergekühltem, verflüssigtem Gas (LNG Liquefied Natural Gas) besteht darin, dass es nicht durch Pipelines geleitet werden muss. Stattdessen können es spezielle Tanker über die Meere schiffen, wodurch Deutschland leichter an Gas etwa aus den USA oder Katar käme. Welche Lieferungen aus diesen Ländern tatsächlich zu erwarten sind, lässt die Bundesregierung offen. Das Wirtschaftsministerium (BMWK) teilt dazu mit: "Die Bundesregierung und so auch das BMWK haben in den letzten Wochen und Monaten politische Gespräche mit mehreren Ländern, darunter unter anderem Kanada, Norwegen, Katar, Ländern Nordafrikas geführt."

Zum Entladen, "Regasifizieren" und Weiterleiten von Flüssiggas braucht man sogenannte LNG-Terminals. Deutschland verfügt bisher über kein eigenes, allerdings können die bereits bestehenden europäischen Terminals - über die Deutschland bisher Flüssiggas bezieht - 1715 Terawattstunden im Jahr umschlagen, was der Gelehrtengesellschaft Leopoldina zufolge "rein rechnerisch" ausreichte, um russisches Gas zu kompensieren. Umstritten ist, ob die Leitungskapazitäten dafür ausreichen würden. Den Bau schwimmender LNG-Terminals hält der Chemiker Ferdi Schüth, Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, für "eine wichtige Maßnahme". Dennoch werde man im kommenden Winter mehr Kohle verstromen müssen. "Da führt wohl kein Weg dran vorbei", so Schüth.

Derzeit sind die deutschen Gasspeicher zu fast zwei Dritteln gefüllt, ein für die Jahreszeit guter Wert. Doch "eine Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden", schreibt die Bundesnetzagentur. Für den Winter werden hohe Speicherstände zum Heizen benötigt, im November sollten sie schon bei 90 Prozent liegen.

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