Libyen: Flüchtlingsschiff kentert:"Wahnsinnig viele Leichen"

Mehr als hundert Menschen sollen bei einem Schiffsunglück vor der libyschen Küste ums Leben gekommen sein. Flüchtlinge berichten, das Schiff sei vor der Hauptstadt Tripolis gekentert.

Marlene Weiss und Andrea Bachstein

Bei einem Schiffsunglück vor der libyschen Küste könnten mehr als hundert Menschen ums Leben gekommen sein. Flüchtlinge, die am Sonntag auf der italienischen Insel Lampedusa eingetroffen waren, berichteten von dem Unglück vor der libyschen Hauptstadt Tripolis. "Sie waren direkt vor uns nahe dem Ufer, als ihr überfülltes Boot kenterte, womöglich wegen eines falschen Manövers", sagte ein Flüchtling. "Es war furchtbar, es gab wahnsinnig viele Leichen."

Flüchtlinge aus Misurata

Laut italienischen Medien konnten sich nur 32 von 200 Somaliern an Bord des Schiffes schwimmend an Land retten.

(Foto: dpa)

Italienische Medien berichten unter Berufung auf einen somalischen Journalisten in Libyen, dass sich 32 Somalier schwimmend an Land retten konnten - von 200 an Bord. Laura Boldrini, Sprecherin des UN- Flüchtlingskommissariats sagte, diese zigste Tragödie zeige, dass das libysche Regime keine Skrupel habe. "Es schreckt nicht davor zurück, Hunderte auf für die Überfahrt völlig untauglichen Booten aufbrechen zu lassen, um die nördlicheren Mittelmeerländer unter Migrationsdruck zu setzen."

Unterdessen dementiert die Nato einen Bericht der Londoner Tageszeitung Guardian, wonach Nato-Streitkräfte einem weiteren Flüchtlingsboot aus Libyen die Hilfe verweigert und so den Tod von 61 Passagieren mitverschuldet haben sollen. Laut Bericht hat das Boot am 25. März von Tripolis abgelegt. Als es 100 Kilometer vor der libyschen Küste in Schwierigkeiten geriet, kontaktierten die Passagiere über ein Satellitentelefon einen Priester in Rom, der die italienische Küstenwache alarmierte.

Überlebende unter den Flüchtlingen berichteten dem Guardian von einem Helikopter, von dem aus Soldaten ihnen kurz darauf Wasser und Keksrationen herabgelassen hätten. Doch das von den Soldaten angeblich angekündigte Rettungsboot blieb aus. Einige Tage später sei das Boot in Sichtweite eines Nato-Flugzeugträgers getrieben. Zwei Jets seien darüber hinweggeflogen, Hilfe sei jedoch nicht gekommen.

Die Nato dementiert: Der einzige Nato-Flugzeugträger im Mittelmeer zu dieser Zeit sei die italienische Garibaldi gewesen, die mehr als 100 nautische Meilen (185 Kilometer) vor der Küste operiert habe und daher nicht in Frage komme. Dem Guardian zufolge kommt auch die französische Charles de Gaulle in Frage, die französische Armeeführung hat sich dazu bislang jedoch nicht geäußert.

In Lampedusa wurden am Montag die Leichen dreier Flüchtlinge aus einem weiteren Boot aus Libyen gefunden. Es war mit 531 Menschen in der Nacht zum Sonntag auf Fels gelaufen.

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