"Deutsch, deutsch, deutsch ist die Voraussetzung", sagt Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse werde es für Flüchtlinge schwer, Jobs zu bekommen oder als Auszubildende in der Berufsschule mithalten zu können. Was Kramer sagt, bestreitet niemand: Die Sprache gilt als Schlüssel der Integration von Migranten und Geflüchteten.
Seit mehr als zwölf Jahren lernen Zuwanderer deshalb Deutsch in den Integrationskursen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Doch richtig gut scheint es mit den Kursen nicht zu laufen. Die Statistiken der Nürnberger Bundesbehörde deuten darauf hin, dass viele Kursteilnehmer es nicht einmal bis zum Abschlusstest schaffen. Schätzungen gehen sogar von etwa der Hälfte aus.
So nahmen nach Angaben des Bamf 2016 fast 340 000 Menschen erstmals an einem Integrationskurs teil. In diesem Zeitraum hätten aber nur "133 050 Teilnehmer den Integrationskurs erfolgreich absolviert", teilte das Amt auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung mit. Große Unterschiede zwischen den Zahlen der Teilnehmer und der erfolgreichen Absolventen gab es auch schon 2014, als noch deutlich weniger Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Hier berichtet das Bamf von mehr als 142 000 Teilnehmern und knapp 85 000 Absolventen mit Abschluss. Brechen also viele den Kurs, zu dem unter anderem 600 Stunden Deutsch-Unterricht gehören, vorzeitig ab - oder machen sie den Abschlusstest nicht mit?
Vermutlich treten viele die Kurse gar nicht erst an
Für Christoph Schroeder, der den Arbeitsbereich Deutsch als Zweitsprache an der Universität Potsdam leitet, ist klar: "Die Zahlen des Bundesamtes lassen den Schluss zu, dass es hohe Abbruchquoten gibt." Diese seien leider "bisher statistisch nicht richtig erfasst". Grob geschätzt, so der Universitätsprofessor, "dürfte aber etwa die Hälfte der Teilnehmer zum Sprachtest erst gar nicht antreten. Hier dürfen die Bundesregierung und das Bundesamt nicht länger wegschauen", sagt Schroeder, der Mitglied im Rat für Migration ist.
Das Bamf selbst erhebt die Abbruchquote der Integrationskurse nicht und teilt zur Begründung mit, dies ließe sich für den einzelnen Teilnehmer "schwer statistisch definieren". Teilnehmer könnten Kurse unterbrechen, auch wegen Schwangerschaft, Krankheit oder eines Umzugs. Ob ein Kurs endgültig vorzeitig beendet werde, ließe sich nur "durch individuelle Nachfrage bei jedem Betroffenen" ermitteln. Dabei stünde jedoch "der Erkenntnisgewinn außer Verhältnis zum notwendigen Aufwand".
Auch ließe sich die Zahl der Teilnehmer und der Absolventen in jeweils einem Kalenderjahr nicht miteinander vergleichen, "da beispielsweise ein Absolvent im Jahr 2016 seinen Kurs bereits 2015 begonnen haben kann". Schroeder gibt sich damit jedoch nicht zufrieden: Es sei höchste Zeit, dass das Bamf genaue Abbruchquoten erforsche "und sich der Frage stellt, wo denn die Migranten geblieben sind, die die Kurse nicht abschließen".
Dieses Jahr sind im Budget des Amtes mehr als 600 Millionen Euro für Integrationskurse vorgesehen. Trotzdem sieht Experte Schroeder noch ein anderes großes Defizit: Von denjenigen, die am Sprachtest zum Kursende teilnehmen, schafften 2016 laut Bamf 35 Prozent nur das Sprachniveau A2. 56 Prozent schlossen mit dem eigentlich angestrebten höheren Level B1 ab.
Falscher Maßstab als Grundlage?
Schroeder hält die Prüfungsbilanzen mit Erfolgsquoten von gut 90 Prozent deshalb für "statistisch aufgehübscht" - nicht nur, weil ein großer Teil der Kursteilnehmer zur Prüfung erst gar nicht angetreten sei. Er weist daraufhin, dass im Aufenthaltsgesetz als Maßstab das Sprachniveau B1 verwendet wird. Nur wer das erreiche, hätte ausreichende deutsche Sprachkenntnisse.
So sieht es auch Brigitte Pothmer, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion: "Das Niveau A2 genügt oft nicht für den Einstieg in Ausbildung und Arbeit", sagt sie. Die Abgeordnete spricht sich dafür aus, zwischen den Kursteilnehmern stärker zu differenzieren, von denen manche zum Beispiel Akademiker seien und andere - wenn überhaupt - nur kurz in der Schule waren. Auch der einheitliche Lehrplan gehört für Pothmer "auf den Prüfstand". Das fordert ebenfalls Experte Schroeder. Für ihn sind die Kurse "bislang leider wirklich kein Erfolgsmodell".