Flüchtlingspolitik:Ab und zu flackern Ressentiments auf

Regierungschef Trudeau hat sich ins Parlament gestellt und sich öffentlich dafür entschuldigt, dass sein Land vor mehr als hundert Jahren einmal ein Flüchtlingsschiff aus Hongkong abgewiesen hat. Lange her, aber doch auch ein Zeichen, dass Kanada sich wieder stärker dazu bekennt, ein Einwanderungsland zu sein.

Der Premier selber war am Flughafen, als im vergangenen Jahr die ersten Syrer in Toronto eintrafen. "Sie gehen aus dem Flugzeug als Flüchtlinge raus", sagte er, "aber wenn sie den Terminal verlassen, sind sie dauerhafte Einwohner Kanadas, mit einer Sozialversicherungsnummer und der Chance, kanadischer Staatsbürger zu werden."

"Unmöglich, sich bei der Integration nur auf die Regierung zu verlassen"

Sicher, Trudeau hat es einfacher als die meisten seiner Kollegen in Europa. Es gibt keine Flüchtlingsgruppen, die auf überfüllten Schiffen auf die Küste zusteuern oder direkt an der kanadischen Grenze campieren. Und auch keine Staaten, die Ottawa drängen, die Türen zu öffnen. Kanada kann es sich leisten, die Türen nach seinem Belieben selber zu öffnen, so weit es will, und für wen es will.

Die meisten Flüchtlinge kommen in Familien, das dämpft mögliches Misstrauen und erleichtert die Akzeptanz in der Bevölkerung. Die meisten Kanadier stammen ja selber aus Einwandererfamilien. Migrationsminister John McCallum versichert indes, dass Kanada sich in den Flüchtlingslagern von Jordanien und Libanon keineswegs etwa Akademiker oder Facharbeiter herauspickt, sondern die Bedürftigsten auf einer Liste, die vom Flüchtlingshilfswerk der UN zusammengestellt wird.

Es ist allerdings nicht der Staat allein, der hilft. Kanada pflegt eine Besonderheit, das private Sponsoring. Mehrere Kanadier spannen sich zu kleinen Helferkreisen zusammen, die sich für ein Jahr verpflichten, sich um eine Flüchtlingsfamilie zu kümmern: mit Lebensmitteln, Wohnung, Kleidung, Sprachkursen.

"Es ist unmöglich, sich bei der Integration nur auf die Regierung zu verlassen", sagt Deena Douara Karim, Sprecherin der Organisation Lifeline Syria in Toronto. Mehr als 12 000 syrische Flüchtlinge werden derzeit durch das private Hilfsprogramm betreut, gestiegen ist die Bereitschaft vor allem nach dem Tod von Aylan Kurdi.

Ab und zu flackern auch Ressentiments auf, werden Übergriffe registriert und unappetitliche Graffiti an Schulwände gesprüht. Prägend ist diese Stimmung nicht. "Dafür haben wir eine zu lange Tradition der Einwanderung", sagt Douara Karim, "gehen Sie einfach eine Straße in Toronto entlang, Sie hören 20 verschiedene Sprachen."

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