Flüchtlingspolitik:Ausreisepflichtigen Asylbewerbern drohen Haft, Arbeitsverbote, Bußgelder

  • Das Kabinett in Berlin hat mehrere Gesetzentwürfe zu einem anderen Umgang mit Migranten und Asylsuchenden beschlossen.
  • Insbesondere das Gesetz zur Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern war umstritten.
  • Bundesinnenminister Seehofer (CSU) zeigt sich bei der Vorstellung dieses Gesetzes äußerst zufrieden.

Von Markus C. Schulte von Drach

Es war bis zuletzt umstritten - trotzdem hat das Bundeskabinett jetzt den Entwurf für das sogenannte "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" beschlossen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will damit die Abschiebung von ausreisepflichtigen Asylbewerbern beschleunigen, die "vollziehbar" sind. Außerdem sollen die Möglichkeiten ausgeweitet werden, Ausreisepflichtige vor einer geplanten Abschiebung in Haft zu nehmen.

Wie der Innenminister auf einer Pressekonferenz in Berlin erklärte, hätten sich SPD und Union schon im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die Hindernisse für solche Rückreisen zu verringern. Gegen seinen Entwurf jedoch gab es unter den Sozialdemokraten, aber auch innerhalb der Union selbst Widerstand.

Künftig, sagte Seehofer, werde zwischen Personen unterschieden, die ohne eigene Schuld nicht ausreisen können und solchen, die dafür selbst verantwortlich sind. Fünf Punkte soll das Gesetz neu regeln - mit dem Ziel, den Rechtsstaat durchzusetzen.

So soll die Identität der Betroffenen über neue Maßnahmen geklärt werden - der für Seehofer wichtigste Punkt. Unklare Identitäten seien ein "zentrales Hindernis für die Durchsetzung der Ausreisepflicht" bei Personen, die bereits alle rechtstaatlichen Verfahren mit eindeutigem Ergebnis abgeschlossen hätten. Er habe bei Fällen, mit denen er sich selbst beschäftigte, immer wieder erlebt, dass die Ausreisepflichtigen eine Vielzahl von Identitäten angegeben hätten.

Solche abgelehnten Asylbewerber - Seehofer zufolge wird es für sie die neue Kategorie "geduldete Personen mit ungeklärter Identität" geben - sollten alles Zumutbare tun müssen, um ihre Ausreise zu ermöglichen. Hier will Seehofer über eine Reihe von Sanktionen Druck ausüben. Dazu gehören etwa ein Arbeitsverbot, Wohnsitzauflagen und die Möglichkeit, Bußgelder zu verhängen.

Da Rückführungen gegenwärtig häufig noch daran scheitern, dass die Betroffenen untertauchen, soll es in Zukunft leichter werden, sie zu inhaftieren. 31 000 Rückführungsversuche, so Seehofer, wurden 2018 abgebrochen - deutlich mehr als mit Erfolg vollzogen werden konnten (26 000). Von einem klaren Indiz dafür, "dass sich der Rechtsstaat nicht durchsetzen kann", sprach Seehofer. "Das ist ein Zustand, den kein verantwortlicher Innenminister hinnehmen kann."

Nach Angaben aus dem Bundesinnenministerium lebten in Deutschland Ende 2018 rund 236 000 Ausreisepflichtige. Das sind zum Großteil abgelehnte Asylbewerber, aber auch einige Ausländer, die nach Ablauf ihres Visums einfach in Deutschland geblieben waren. Von den ausreisepflichtigen Ausländern besaßen etwa 180 000 eine Duldung.

Städtebund: "Geeignetes und gutes Instrument"

Nun soll es die Möglichkeit geben, eine Mitwirkungshaft von bis zu 14 Tagen zu verhängen, damit die Betroffenen an Terminen in einer Botschaft teilnehmen, um die Identität zu klären. Bei Fluchtgefahr, etwa wenn jemand sich schon einmal einer Abschiebung entzogen hat, ist eine Sicherungshaft möglich. Auf etwa 1000 soll die Zahl der Haftplätze verdoppelt werden - was Seehofer zufolge für die 16 Bundesländer kein Problem sein dürfte.

Hier war zuvor Kritik von Justizministern der Länder gekommen, die befürchten, dass ausreisepflichtige Personen gemeinsam mit anderen Straftätern untergebracht werden müssten. Allerdings hatte Justizministern Katarina Barley (SPD), die diese Bedenken ebenfalls geäußert hatte, schließlich zugestimmt. Andrea Lindholz (CSU), Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, kritisierte dagegen der dpa zufolge, die rechtlichen Hürden für die Anordnung einer Abschiebehaft seien immer noch zu hoch.

Der dritte Punkt betrifft die Ausweisung von Straftätern. Nicht mehr nur bei Personen, die zu einem Jahr Haft oder mehr verurteilt wurden, soll nun ein "Ausweiseinteresse" bestehen, sondern schon bei solchen, die für sechs Monate ins Gefängnis sollen. Und viertens sollen für Intensivtäter lebenslange Wiedereinreisesperren möglich sein, wer nicht ausgewiesen werden kann, soll stärker überwacht werden.

An dieser Stelle wies Seehofer darauf hin, dass es häufig nur eine Schutzbehauptung insbesondere der Landesregierungen sei, dass nicht abgeschoben werden könnte, weil die Herkunftsländer nicht kooperieren. Es gebe mit einer Vielzahl von Staaten sehr gute Kooperationen. Etwa mit Afghanistan, in das Seehofer zufolge 18 000 vollziehbar Ausreisepflichtige zurück sollten. Abgeschoben würden dorthin aber fast nur Personen aus Bayern.

Als letzten Punkt stellte Seehofer die Absenkung von Sozialleistungen vor. "Da sind Dinge gelungen, die hätte ich so nicht erwartet", kommentierte der Innenminister. So soll es etwa Einschränkungen geben, wenn eigene Finanzmittel verschwiegen, Dokumente nicht vorgelegt, ein Asylantrag verzögert eingereicht oder überhaupt die Mitwirkung verweigert würden. Und wer in Europa bereits Schutz bekommen habe, aber nach Deutschland weiterreise, kann nicht mehr mit Sozialleistungen rechnen, sondern nur noch mit Rückkehrbeihilfe in das Land, wo Asyl gewährt wurde.

Neben den Justizministern der Länder äußerten auch Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International im Vorfeld Bedenken. Dem Gesetz zufolge gilt es nun als Straftat, wenn Beschäftigte im öffentlichen Dienst Informationen zu einer Abschiebung weitergeben. Da allerdings Beihilfe dazu ebenfalls strafbar sein wird, sieht Amnesty auch Berater und Mitarbeiter in Flüchtlingsorganisationen bedroht.

Aber auch Zustimmung bekam Seehofer. So hält der Deusche Städte- und Gemeindebund das Gesetz für ein "geeignetes und gutes Instrument", um eine Überforderung der Städte und Gemeinden zu vermeiden, wie Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte.

Neben Seehofers "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" hat das Kabinett auch einen Entwurf von Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) beschlossen. Dessen Gesetzesinitiative soll dafür sorgen, dass mehr Flüchtlinge als bisher an Integrationskursen teilnehmen und Maßnahmen zur beruflichen Förderung in Anspruch nehmen. Auch mit etwas höheren Geldleistungen dürfen Asylbewerber rechnen, da auch die Lebenshaltungskosten gestiegen sind.

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