Flüchtlingskrise:Wie sich Seehofer mit seiner Obergrenzen-Forderung isoliert

Seehofer und Merkel

Erneuter Vorstoß gegen die Kanzlerin: CSU-Chef stellt sich mit seiner Forderung einer Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr erneut gegen Angela Merkel (das Bild zeigt die beiden beim CSU-Parteitag im November).

(Foto: dpa)

Was der CSU-Chef derzeit tut, kommt einem erneuten Affront gegen die Kanzlerin gleich. Die SPD fordert Merkel bereits auf, die "Linie der Koalition" gegen Seehofer durchzusetzen.

Von Michael Bauchmüller und Stefan Braun, Berlin

Wenige Tage vor der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth hat sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer mit der Forderung nach Flüchtlings-Obergrenzen in der großen Koalition isoliert. "Die CSU macht den Menschen etwas vor", sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley der Süddeutschen Zeitung. "Obergrenzen sind nicht praktikabel und verstoßen gegen das Grundgesetz." Zuvor hatte Seehofer in der Bild am Sonntag gefordert, die Zahl der Flüchtlinge auf maximal 200 000 im Jahr zu begrenzen. "Alles, was darüber hinausgeht, halte ich für zu viel", sagte er. "Wenn wir nicht schnell handeln, müsste Deutschland in zwei Jahren zweieinhalb Millionen Menschen aufnehmen."

Die Forderung des CSU-Vorsitzenden steht quer zur Beschlusslage der Schwesterpartei CDU und wird in den Reihen der Christdemokraten als klare Provokation gegen die Kanzlerin gelesen. Allerdings mochte sich aus der Führungsriege der CDU am Sonntag niemand öffentlich zu Seehofers jüngster Attacke gegen den Flüchtlingskurs der Kanzlerin äußern. Keiner wollte den seit Monaten schwelenden Konflikt zwischen CDU und CSU weiter befeuern.

Für Angela Merkel kommt die Forderung des CSU-Chefs dennoch einem Affront gleich. In dieser Woche wird die Kanzlerin zum ersten Mal eine Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth besuchen. Ihre Partei hatte sich im Dezember hinter einen Antrag gestellt, der zwar die spürbare Verringerung der Flüchtlingszahlen verlangt, nicht aber Obergrenzen.

"Obergrenzendebatte ist so reflexhaft wie sinnlos", sagen die Grünen

Die SPD ist bemüht, nicht in den Streit beim Koalitionspartner hineingezogen zu werden. "Angela Merkel und Horst Seehofer müssen innerhalb der Union zu einer Einigung kommen", sagte Barley. Andernfalls würden Menschen zunehmend verunsichert. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte Merkel auf, die "Linie der Koalition" gegenüber Seehofer durchzusetzen. Die EU müsse ihre Außengrenzen besser sichern und sich mehr um die Flüchtlinge in den Krisenregionen kümmern. "Richtig ist, dass wir die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge 2016 deutlich reduzieren müssen", sagte Oppermann. "Das ständige Gerede über nationale Obergrenzen hilft dabei keinen Schritt weiter."

Auch die Grünen kritisierten Seehofers Vorstoß scharf. "Die Obergrenzendebatte ist so reflexhaft wie sinnlos", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der SZ. Seehofer solle seine Energien lieber in ein "schlüssiges Gesamtkonzept für Integration" stecken. Daran mangele es nach wie vor. Außerdem plädiert Göring-Eckardt dafür, die Integrationsaufgaben in einem neuen Migrations- und Integrationsministerium zu bündeln.

Kritik gibt es auch an der CSU-Forderung, Flüchtlinge ohne Papiere an den Grenzen abzuweisen. Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, warnte vor einem "Generalverdacht" gegen Flüchtlinge ohne Papiere. Schutzsuchenden dürfe der Zugang zu einem fairen Asylverfahren nicht verweigert werden, sagte er im Deutschlandfunk.

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