Flüchtlingskrise:Unruhe vor dem Deal

Ehe der Pakt mit der EU in Kraft tritt, brechen Menschen aus dem griechischen Hotspot auf der Insel Chios aus. Amnesty International wirft der Türkei unterdessen vor, dass sie systematisch Syrer zurück nach Syrien abschiebe.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Vor dem Beginn der massenhaften Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei ist es auf der griechischen Insel Chios zu Ausschreitungen gekommen. Auf der Insel sitzen 1600 Flüchtlinge fest, die damit rechnen müssen, von diesem Montag an in die Türkei zurückgeschickt zu werden. Vom 4. April an soll der zwischen der EU und der Türkei vereinbarte Flüchtlingspakt umgesetzt werden.

Mindestens 500 Flüchtlinge sind am Freitag aus dem "Hotspot" auf Chios ausgebrochen. Wie die Zeitung Ta Nea schnitten sie den Maschendrahtzaun auf, der das Lager umgibt. Anschließend machten sie sich auf den Weg in Richtung des Hafens der Insel. Ihr Leben sei in dem "Hotspot" nicht mehr sicher, sagten sie Journalisten. Deshalb wollten sie jetzt in ein altes, verlassenes Lager umsiedeln.

Die Türkei hatte sich verpflichtet, Flüchtlinge, die seit dem 20. März in Griechenland angekommen sind, zurückzunehmen. Im Gegenzug sollen die EU-Länder für jeden zurückgeschickten Syrer einen Syrer aus den Flüchtlingslagern in der Türkei auf legalem Wege aufnehmen.

Das Bundesinnenministerium erwartet am Montag die ersten Syrer, die durch den Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei ins Land kommen. Dabei handele es sich vor allem um Familien mit Kindern. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, es handele sich um eine Anzahl Menschen in einer "niedrigen bis mittleren zweistelligen Größenordnung".

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erhebt indes schwere Vorwürfe gegen die türkischen Behörden. Tausende Syrer seien in den vergangenen Wochen und Monaten systematisch in das Bürgerkriegsland zurückgeschickt worden. So lange die Türkei Flüchtlingen keinen Schutz gewähre und die Menschenrechte verletze, dürfe "die EU Schutzbedürftige nicht bedenkenlos in die Türkei abschieben in der falschen Annahme, die Türkei sei für diese sicher".

In Griechenland und der Türkei wurde bis zuletzt mit Hochdruck an den Voraussetzungen für den Flüchtlingspakt gearbeitet. Das türkische rote Kreuz errichtet in der westlichen Provinz Manisa ein neues Camp für bis zu 5000 Flüchtlinge. Das Land beherbergt nach eigenen Angaben bereits knapp drei Millionen Flüchtlinge. Entlang der Grenze zu Syrien hat die türkische Katastrophenschutzbehörde bereits mehr als 20 Flüchtlingslager errichtet.

Das Parlament in Athen hat mit klarer Mehrheit am Freitagabend im Eilverfahren den Weg freigemacht für die Rückführungen von Migranten in die Türkei: Für ein Gesetz zur Umsetzung des Flüchtlingspakts stimmten 169 Abgeordnete, 107 votierten dagegen.

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