Flüchtlingskrise:Türkei warnt Europa vor Panik und Hysterie in der Flüchtlingskrise

Flüchtlingskrise: Ein Flüchtlingscamp in Haramein auf syrischer Seite nahe der Grenze zur Türkei.

Ein Flüchtlingscamp in Haramein auf syrischer Seite nahe der Grenze zur Türkei.

(Foto: AP)

Außenminister Çavuşoğlu fordert im SZ-Interview außerdem Schutzzonen in Syrien.

Von Stefan Kornelius und Paul-Anton Krüger

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hat Russland zu engerer Zusammenarbeit mit der von den USA geführten Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aufgefordert und die Einrichtung von Schutzzonen für Flüchtlinge auf syrischem Gebiet verlangt. Sollte Moskau unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung weiter das syrische Regime von Baschar al-Assad unterstützen, sehe er die am Freitag in München erzielte Vereinbarung für eine Waffenruhe in Gefahr, sagte Çavuşoğlu der Süddeutschen Zeitung.

Am Wochenende nach der Einigung auf ein Ende der Kampfhandlungen telefonierte US-Präsident Barack Obama mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin. Das macht deutlich, welche Bedeutung die beiden Seiten der Vereinbarung beimessen, um deren Umsetzung es aber Streit gibt.

Wie der Kreml mitteilte, kam das Gespräch auf Wunsch des Weißen Hauses zustande. Putin habe betont, eine enge Arbeitsbeziehung zwischen dem russischen Verteidigungsministerium und dem Pentagon sei unerlässlich. Ob Obama darauf einging, war nicht bekannt. Zuvor hatte das Pentagon ausgeschlossen, die Kooperation auszudehnen. Derzeit sprechen die beiden Seiten nur Kampfjet-Einsätze über Syrien ab, um Zwischenfälle zu vermeiden.

Das Weiße Haus teilte lediglich mit, Obama habe betont, dass Russland eine konstruktivere Rolle spielen und seine Luftangriffe gegen die moderate Opposition in Syrien einstellen müsse. Russland bombardiert dort Gruppen, die von den USA, der Türkei und anderen unterstützt werden. Moskau behauptet jedoch, gegen den IS und andere Terrorgruppen zu kämpfen.

Türkisches Militär bombardiert weiterhin Kurdengebiete in Syrien

Çavuşoğlu stellte im Gespräch mit der SZ während der Münchner Sicherheitskonferenz klar, sein Land beanspruche das Recht, Terrorgruppen auch auf syrischem Gebiet anzugreifen. Wie die Türkei den IS attackiert habe, werde sie kurdische Milizen angreifen, die sie als terroristisch einstufe. Das türkische Militär bombardierte am Wochenende Kurdengebiete in Syrien aus der Luft und beschoss sie auch mit Artillerie. Die kurdischen YPG-Milizen kämpfen mit US-Unterstützung gegen den IS.

Der Außenminister kündigte an, syrische Vertriebene auf syrischem Boden umfassend zu unterstützen. Er sagte jedoch nicht, ob und wie diese Schutzzonen gesichert werden würden. Allein für Camps in der Türkei habe sein Land zehn Milliarden Dollar ausgegeben. "Mit der Hälfte des Geldes hätten wir in solchen Zonen Städte bauen können. Wir können das immer noch."

Europa mahnte der Minister, Panik und Hysterie trügen nicht dazu bei, humanitäre Probleme zu lösen. Man müsse die Gründe für die Flucht verstehen. "Mit einem sicherheitsbasierten Ansatz kann man Migration zu 100 Prozent nicht verhindern", sagte er mit Blick auf den Einsatz von Nato-Schiffen in der Ägäis. Çavuşoğlu kündigte an, Ankara werde die Visapolitik für Staaten Nordafrikas überprüfen, was es Menschen von dort erschweren würde, nach Europa zu gelangen. Frankreichs Premier Manuel Valls sagte in München, sein Land lehne die von Kanzlerin Angela Merkel geforderten Flüchtlingskontingente für EU-Staaten ab.

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