Flüchtlingskrise:Tonsetzer

Die ersten SPDler riskieren neue Sätze in Richtung CSU.

Von Christoph Hickmann

Axel Schäfer, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, neigt zur unkonventionellen Äußerung abseits der Parteilinie. Seine Beliebtheit an der SPD-Spitze hat das stets in engen Grenzen gehalten. Wenn Schäfer nun aber die Abdichtung der EU-Außengrenzen fordert und erklärt, man sei am "Limit", dann spricht er damit nur aus, was an der Spitze der Sozialdemokratie seit geraumer Zeit gedacht, aber nicht laut gesagt wird.

Das politische Führungspersonal, speziell das der SPD, befindet sich in einem Zustand der Apathie. Die Zahl der Flüchtlinge sinkt nicht, man starrt mit leicht geöffnetem Mund darauf, und täglich wächst die Gewissheit, dass auch dieses Land nicht damit fertig werden wird, wenn es in dem Tempo noch lange weitergeht. In dieser Klarheit aussprechen wollte man das aber bislang lieber nicht, weil das erstens hieße, manchem Mahner etwa in der CSU zuzustimmen und zweitens bedeutete, Angela Merkel rechts zu überholen - was zwar bei etlichen potenziellen Wählern gut ankommen dürfte, unter den eigenen Funktionären aber Ärger erzeugen wird.

Wenn der Genosse Schäfer nun Merkels vor Wochen ausgesandte Öffnungssignale relativiert, nimmt wieder mal ein Sozialdemokrat der Kanzlerin eine unangenehme Aufgabe ab. Immerhin dürfte als Nebeneffekt auch der Druck aus den eigenen Reihen auf Merkel nochmals wachsen, ihre Tonlage ebenfalls der Realität anzupassen.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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