Flüchtlingskrise:Merkel will Integration höchste Priorität einräumen

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  • Bundeskanzlerin Merkel ruft zur schnellen Integration der Flüchtlinge auf. Man müsse aus der Erfahrung mit den Gastarbeitern lernen.
  • Trotz der gestiegenen Ausgaben für Flüchtlingsunterbringung will Merkel keine neuen Schulden aufnehmen.
  • Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen fliehen, sollen konsequenter abgeschoben werden.

Lernen aus der Erfahrung mit Gastarbeitern

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zur raschen Einbindung der Flüchtlinge in die Gesellschaft aufgerufen. "Wir sollten aus den Erfahrungen der sechziger Jahre, als wir Gastarbeiter zu uns gerufen haben, lernen und von Anfang an der Integration allerhöchste Priorität einräumen", sagte Merkel im Bundestag. "Wenn wir es gut machen, dann bringt es mehr Chancen als Risiken."

Hilfen beim Deutschlernen und zur raschen Arbeitsaufnahme seien zentral. Zugleich mahnte sie: "Wir dürfen nicht wegsehen, wenn sich Milieus verfestigen, die Integration ablehnen, oder wenn sich Parallelgesellschaften bilden." Hier dürfe es keine Toleranz geben. Ausschreitungen gegen Flüchtlingsheime und fremdenfeindliche Umtriebe nannte Merkel abstoßend und beschämend. Sie kündigte an: "Wir werden mit der ganzen Härte des Rechtsstaates dagegen vorgehen."

Schwarze Null soll beibehalten werden

Ungeachtet der Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge unterstrich Merkel das Ziel eines weiterhin ausgeglichenen Haushalts. "Keine neuen Schulden - und das gilt auch weiter für die mittelfristige Finanzplanung", sagte Merkel über die Politik der Bundesregierung im Bundestag. "Deutschlands Finanzen stehen auf einem soliden Fundament", betonte sie und ergänzte: "Solide Finanzen machen es auch möglich, dass wir auf plötzlich auftretende neue Herausforderungen reagieren können."

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Finanzminister Schäuble strebt auch für 2016 einen ausgeglichenen Haushalt an. Bekommen wird er ihn kaum.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Merkel beharrt zudem darauf, in der EU zu einer fairen und verbindlichen Verteilung aller ankommenden Flüchtlinge auf sämtliche Mitgliedstaaten zu kommen. "Insgesamt brauchen wir eine verbindliche Einigung über eine verbindliche Verteilung von Flüchtlingen nach fairen Kriterien zwischen allen Mitgliedstaaten", sagte Merkel am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestags.

Die von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zeitgleich vorgestellten Pläne zur Aufteilung von weiteren 120 000 Hilfesuchenden seien ein "erster Schritt", sagte Merkel. Es könne aber nicht dabei bleiben, nur eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen auf die EU-Staaten zu verteilen. "Wir müssen überlegen, wie wir mit den Flüchtlingen, die bei uns ankommen, umgehen." Mit Blick auf die Widerstände in einigen EU-Staaten mahnte die Kanzlerin: "Da kann ich nicht eine Höchstgrenze sagen und darüber hinaus kümmere ich mich nicht." Die Aufnahme der Flüchtlinge müsse eine "europäische Verantwortung sein", nur dann würden auch alle EU-Staaten mithelfen, die Fluchtursachen zu bekämpfen, sagte Merkel unter Beifall.

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Der EU-Kommissionspräsident will 120 000 Flüchtlinge zusätzlich in der EU umverteilen. Mitgliedstaaten, die sich Asylregeln verweigern, droht er mit juristischen Konsequenzen.

Abschiebungen beschleunigen

Die Bundesregierung will Migranten, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen, konsequenter und schneller in ihrer Heimatländer zurückführen. "Die aus wirtschaftlicher Not zu uns kommen, werden nicht in Deutschland bleiben können", sagte Merkel: "So schwer ihr persönliches Leben auch sein mag, so gehört dies dennoch zur Wahrheit."

Kritik von der Opposition

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wirft der Bundesregierung vor, die Flüchtlingskrise verschleppt zu haben. Die Regierung habe viel zu lange geglaubt, das Problem weit von Deutschland weghalten zu können, sagte sie im Bundestag. Jetzt sei sie überfordert, etwa bei der Bewältigung der Asylanträge, für die das Personal fehle. Im Hinblick auf die Zahl der Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland sagte sie mit ironischem Unterton: "30 Prozent der Kinder und Jugendlichen (in Deutschland) haben einen Migrationshintergrund, dabei habe ich die 'Ossis' noch nicht mitgerechnet."

© SZ.de/dpa/Reuters/cmy - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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