Die Folgen der größten Flüchtlingsbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg lösen in Deutschland politischen Streit aus. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) lehnte bei einem Flüchtlingsgipfel in Berlin weitere Finanzhilfen des Bundes für die Länder und deren Kommunen vorerst ab. Diese hatten wegen der hohen Zahl von 1,2 Millionen Flüchtlingen allein im Jahr 2022 mehr Geld für die Unterbringung und Integration verlangt.
Trotz der schwierigen Lage in den Kommunen ging der Flüchtlingsgipfel nur mit kleineren Ergebnissen zu Ende. Bund, Länder und Kommunen hätten sich auf ständige Gremien zur Abstimmung verständigt, sagte Faeser. Eine Gruppe soll sich mit Fragen von Unterbringung und Finanzen, eine zweite mit der Entlastung von Ausländerbehörden und eine dritte mit Integration befassen. In einer vierten Arbeitsgruppe soll es um die Bekämpfung sogenannter irregulärer Migration gehen. Bis Ostern sollen erste Vorschläge vorliegen. Helfen soll künftig auch ein "Digitales Dashboard", mit dem die Geflohenen gleichmäßiger über das ganze Land verteilt werden sollen. Faeser kündigte außerdem an, dass sich Deutschland noch stärker um eine bessere Verteilung der Flüchtlinge in Europa bemühen wolle. Doch die Gespräche darüber sind schon seit Monaten erfolglos.
Wir brauchen dringend Entlastung", sagte Reinhard Sager, der Präsident des Deutschen Landkreistags
Die Vertreter der Kommunen zeigten sich enttäuscht über die Ergebnisse der Gipfels. "Wir brauchen dringend Entlastung", sagte Reinhard Sager, der Präsident des Deutschen Landkreistags. Der Druck durch stetig steigende Flüchtlingszahlen sei erheblich "und wird von Tag zu Tag größer". Es werde immer schwieriger, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zu finden. Die Ergebnisse des Gipfels würden alldem nicht gerecht. Sager kritisierte auch, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an dem Gipfel nicht teilgenommen hat.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte der Süddeutschen Zeitung, die Unterbringung von Flüchtlingen sei für Länder und Kommunen "eine enorme Herausforderung", die Grenzen der Belastbarkeit seien "vielerorts erreicht und mancherorts schon überschritten". Deshalb seien die Ergebnisse des Gipfels "insgesamt unzureichend und enttäuschend". Der Bund müsse den Ländern "dabei helfen, zu helfen" und "seine Beteiligung an den Kosten der Flüchtlingshilfe deutlich erhöhen", sagte Wüst. Und der Bundeskanzler müsse "das Thema Flüchtlingshilfe und die Flüchtlingspolitik in Gänze endlich als Chefsache begreifen und Führung zeigen - in Deutschland und Europa".
Lob für die Ergebnisse des Gipfels? "Heuchelei"
Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) verlangte von der Bundesregierung außerdem eine stärkere Begrenzung illegaler Migration nach Deutschland und ins übrige Europa. Geld alleine werde die Probleme nicht lösen, sagte Beuth. Die Stimmung im Land drohe bereits zu kippen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte die Ergebnisse des Gipfels "sehr mager", Arbeitskreise zu bilden sei angesichts der aktuellen Lage "absolut enttäuschend".
Wie groß die Differenzen sind, zeigte sich, als Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) über die Ergebnisse des Gipfels sprach und diese lobte. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, der zwischen Journalisten saß, verließ in diesem Moment den Saal und sagte: "Heuchelei."
Auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef kritisierte die Lage in Deutschland. Der Mangel an angemessenem Wohnraum und geschulten Betreuern führe dazu, dass geflüchtete Kinder mit ihren Familien über längere Zeiträume in Einrichtungen leben müssten, die nicht kindgerecht und sicher seien, erklärte Unicef Deutschland. Dies betreffe "zunehmend auch unbegleitete geflüchtete Kinder, da einige Bundesländer bereits im letzten Jahr Standards bei ihrer Unterbringung und Versorgung abgesenkt haben".