Flüchtlingsgipfel:Länder fordern von Scholz leichtere Abschiebungen

Flüchtlingsgipfel: Migranten stehen in einer Schlange in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Brandenburg.

Migranten stehen in einer Schlange in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Brandenburg.

(Foto: Hannes P Albert/dpa)

Im Streit über Kosten für die Versorgung Geflüchteter stellen sich die Ministerpräsidenten mit einer eigenen Beschlussvorlage gegen Kanzler Scholz. Sie verlangen vor allem: mehr Geld - aber nicht nur das.

Von Markus Balser, Daniel Brössler und Paul-Anton Krüger, Berlin

Im Streit um die Flüchtlingspolitik haben die Bundesländer vor einem für Mittwoch geplanten Spitzentreffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz eine eigene Beschlussvorlage erarbeitet. In dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, fordern sie mit Nachdruck eine wesentlich stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten. Zugleich verlangen sie Maßnahmen, um den Zuzug nach Deutschland wirksam zu begrenzen.

Allein die Tatsache, dass die Länder mit einer eigenen Vorlage in die Beratungen gehen, zeigt, wie weit die Positionen vor allem bei der Frage der Finanzierung auseinanderliegen. Auch das Kanzleramt hatte ein solches Dokument erarbeitet, doch die Länder erachten dies offenbar nicht als taugliche Diskussionsgrundlage. Der Entwurf der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten liest sich wie ein Affront gegen die Bundesregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), die es ablehnt, sich mit bedeutend mehr Geld an der Finanzierung der Kosten für Geflüchtete zu beteiligen.

Finanzierung angepasst an Flüchtlingszahlen

Die Länder pochen in dem Papier darauf, dass der Bund sehr viel mehr an sie und die Kommunen überweist. "Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich einig, dass es sich bei den Migrationsbewegungen der letzten Jahre um eine dauerhafte Entwicklung handelt", heißt es in dem Entwurf. Die vom Bund im November 2022 für das laufende Jahr zugesagten Beträge von insgesamt 2,75 Milliarden Euro, von denen etwa 1,5 Milliarden für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gedacht sind, "werden den steigenden Zahlen von Geflüchteten nicht gerecht", heißt es in dem Papier der Länder. Lediglich die Grünen haben sich in der Ampelkoalition dazu bereiterklärt, sich stärker an den Kosten zu beteiligen; in Teilen der SPD gibt es Sympathie dafür.

Die Länder verlangen ein Finanzierungsmodell, "das der Höhe nach angemessen ist und sich verändernden Flüchtlingszahlen anpasst". Sie stellen vier Kernforderungen: die vollständige Kostenerstattung für Unterkunft und Heizung für Geflüchtete sowie eine allgemeine monatliche Pro-Kopf-Pauschale für die Unterbringung und Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In einem Papier der Finanzministerkonferenz war am Sonntag dafür ein Betrag von etwa 1000 Euro genannt worden.

Daneben verlangen sie eine verlässliche Übernahme der Kosten für die Integration aller Geflüchteten sowie für unbegleitete Minderjährige. Die Länder fordern, der Bund müsse die Beratung von Geflüchteten, Erstorientierungs- und Integrationskurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge "sowohl quantitativ als auch qualitativ bedarfsgerecht ausbauen". Die Anerkennung von Berufsqualifikationen müsse vereinfacht werden, um die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Der Bund wirft den Ländern eine Rolle rückwärts vor

In der Vorlage des Bundes wiederum hieß es, man sei aufgrund der angespannten Haushaltslage zu zusätzlicher Hilfe nicht mehr in der Lage. Die Bundesregierung verwies darauf, dass sie für 80 Prozent der Geflüchteten die Sozialleistungen nahezu vollständig trage. Die meisten Geflüchteten stammten nämlich aus der Ukraine (1,06 Millionen von 1,36 Millionen Geflüchteten insgesamt). Für diese übernehme der Bund seit dem 1. Juni 2022 etwa 90 Prozent der Leistungen, da hilfebedürftige Geflüchtete aus der Ukraine Bürgergeld beziehungsweise Sozialhilfe erhielten. Der Bund habe dafür im Jahr 2022 etwa drei Milliarden Euro aufgewendet und 2023 etwa fünf Milliarden Euro vorgesehen.

Auch würden den Ländern und Kommunen Bundesimmobilien überlassen, um Geflüchtete unterzubringen - derzeit 340 Liegenschaften mit etwa 70 000 Unterbringungsplätzen. Für diese Gebäude müssten Länder und Kommunen keine Miete zahlen. Die Länder fordern den Bund nun auf, weitere Immobilien bereitzustellen und die Kosten zu übernehmen, wenn Gebäude hergerichtet werden müssen. Zudem sollen Ausnahmeregelungen zur Unterbringung im Baugesetz verlängert werden und die Vergabe öffentlicher Aufträge für den Bau von Unterkünften, Schulen oder Kindertagesstätten vereinfacht werden.

Zur Forderung der Länder, die Höhe der Beträge für die vier genannten Säulen müsse einer Dynamisierung unterliegen, heißt es aus der Bundesregierung, die Länder hätten selbst darauf gedrungen, die Kopplung der Höhe der Zahlungen an die Flüchtlingszahlen zu beenden, als diese noch gesunken seien. Nun wollten sie zu diesem Modell zurückkehren, weil es für sie günstiger sei. Auch hätten die Kommunen ohnehin steigende Kosten etwa für die Schulen, weil die Schülerzahlen steigen. Kinder von Geflüchteten würden zu den Zuwächsen nur in geringem Maße beitragen.

Mehr Grenzkontrollen, leichtere Abschiebungen

Während sich in der Kostenfrage die Positionen weiter verhärtet haben, gibt es in anderen Bereichen Übereinstimmungen oder es lassen sich zumindest mögliche Kompromisslinien erkennen. So fordern die Länder, dass die Bundesregierung sich auf EU-Ebene dafür einsetzt, Asylverfahren in den Staaten an den EU-Außengrenzen abzuwickeln. Das entspricht der Haltung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und wird von anderen beteiligten Ressorts in der Bundesregierung mitgetragen. Auch eine Beschleunigung von Verfahren wollen sowohl der Bund als auch die Länder.

Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten fordern aber auch, die Überwachung der Binnengrenzen im Schengen-Raum zu intensivieren und die bereits verlängerten vorübergehenden Grenzkontrollen zu Österreich im Bedarfsfall auf andere Grenzabschnitte auszuweiten. Die Bundespolizei müsse Schleierfahndung an allen deutschen Binnengrenzen vornehmen.

Auch müssten rechtliche Regelungen, die Abschiebungen verhindern oder zumindest erschweren, angepasst werden. So verlangen die Länder die Ausweitung von Haftgründen im Asylrecht, die Verlängerung der Höchstdauer des Ausreisegewahrsams sowie Einschränkungen der aufschiebenden Wirkung, Widerspruch und Klage gegen asylrechtliche Entscheidungen zu erheben. Das ist bemerkenswert, weil es sich um eine gemeinsame Positionierung aller Länder handelt, also auch SPD-regierter Länder und solcher mit Regierungsbeteiligung der Grünen, die diese Forderungen augenscheinlich mittragen.

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