Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern sind selbst bei denen auf Kritik gestoßen, die mit am Verhandlungstisch saßen. So schreibt die Grünen-Abgeordnete Karoline Otte auf Twitter, Bundeskanzler Scholz und die Ministerpräsidentenkonferenz wollten "dem Bundestag vorschreiben, das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen". Der SZ sagte Otte: "Das Ergebnis aus der MPK überschreitet alle roten Linien, die ich mir als grüne Abgeordnete vorstellen kann. Der MPK-Beschluss zielt darauf ab, die Rechte Geflüchteter massiv zu beschneiden. Das Grundrecht auf Asyl wäre damit Geschichte."
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Ihr Parteichef Omid Nouripour versucht im ARD-"Morgenmagazin", die Bedenken in den eigenen Reihen schnellstmöglich zu zerstreuen. "Wir werden nicht zulassen, dass das Grundrecht auf Asyl ausgehebelt wird." Die Ministerpräsidentenkonferenz sei ein Beratungs- und kein Entscheidungsgremium. Das parlamentarische Verfahren habe noch nicht begonnen.
Auch aus den Kommunen, die zu dem Treffen nicht eingeladen waren, gibt es Kritik an den Ergebnissen der Ministerpräsidentenkonferenz. "Eine Einigung erst im November kommt für das Jahr 2024 deutlich zu spät und stößt bei den Kommunen auf große Enttäuschung", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der Rheinischen Post.
Der Bund hatte bei der Einigung am Mittwochabend eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten soll aber zunächst in einer Arbeitsgruppe beraten und erst im November entschieden werden.
"Das ist ein schlechtes Signal an die Städte", sagte Städtetagspräsident Markus Lewe der Rheinischen Post. Auch Reinhard Sager, der Präsident des Deutschen Landkreistages, ist unzufrieden: "Mit einer Vertagung drängender Probleme können die Landkreise nicht wirklich zufrieden sein", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Einigung von Bund und Ländern:Was beim Migrationsgipfel beschlossen wurde
Die Bundesregierung hat der Forderung der Länder nach mehr Unterstützung für die Versorgung von Flüchtlingen weitgehend nachgegeben. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Beschlusspapier.
Die Milliarde sei "nur ein Tropfen auf den heißen Stein", kritisierte Landsberg. Mit dem Betrag sollen die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Der Bund hatte zuvor bereits 1,5 Milliarden Euro für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in diesem Jahr zugesagt sowie 1,25 Milliarden Euro für andere Geflüchtete. Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt hielten in einer Protokollerklärung Vorbehalte gegenüber den Gipfelergebnissen fest.
Faeser lobt Ergebnisse, Opposition spricht von "Enttäuschungsgipfel"
Bundesinnenministerin Nancy Faeser begrüßte die Ergebnisse des Gipfels. Alle staatlichen Ebenen seien "ihrer großen humanitären Verantwortung gerecht" geworden, so die SPD-Politikerin. "Wir schützen die Menschen, die vor Krieg und Terror geflüchtet sind. Damit wir hierzu weiter in der Lage sind, begrenzen wir die irreguläre Migration", so Faeser.
Bayerns Ministerpräsident Söder, der mit am Verhandlungstisch saß, kritisierte die Ergebnisse am Mittwochabend in der ARD. Es fehle "ein klares Konzept gegen illegale Zuwanderung und für die Rückführung von kriminellen Straftätern. In beiden Bereichen ist heute kein großer Fortschritt erzielt worden."
Von einem "Enttäuschungsgipfel" sprach der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Vorsitzenden der AfD-Fraktion, Alice Weidel und Tino Chrupalla, bezeichneten die Ergebnisse als "nicht geeignet, die dringend erforderliche Migrationswende in Deutschland einzuleiten. Noch mehr Geld für noch mehr Flüchtlinge wird die Flüchtlingskrise nicht lösen, sondern verlängern."
Die Aufstockung der Bundesbeteiligung um eine Milliarde Euro gilt als Zugeständnis an die Länder. Die sehen allerdings den Bund grundsätzlich in der Pflicht. "Der Bund allein hält den Schlüssel zur Steuerung und Begrenzung der Migration in der Hand. Solange er diesen Schlüssel nicht ausreichend nutzt, muss er sich an den Kosten der Länder und Kommunen beteiligen", sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der im November Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz sein wird.
In dem Beschlusspapier des Gipfels heißt es auch: "Aus Sicht der Länder bedarf es eines atmenden Systems, bei dem sich die finanzielle Unterstützung des Bundes an den Zugangszahlen der Geflüchteten orientiert." Überwiegend begrüßt wurden Absichtserklärungen der Bundesregierung, die sogenannte irreguläre Migration stärker einzudämmen, auch wenn hierfür noch Verhandlungen auf EU-Ebene bevorstehen. Um Abschiebungen konsequenter durchzusetzen, hätten sich Bund und Länder auch darauf verständigt, die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams von derzeit zehn auf 28 Tage zu verlängern, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
In Ausreisegewahrsam können Menschen genommen werden, die in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen, sich aber häufiger unkooperativ verhalten haben - zum Beispiel mit falschen Angaben über ihre Staatsangehörigkeit. Vereinbart wurden den Angaben zufolge auch erweiterte Zuständigkeiten der Bundespolizei und ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Justiz- und Ausländerbehörden.