Flüchtlingschaos in Berlin:Die schlechteste Behörde Deutschlands

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Flüchtlinge warten auf dem Gelände des Landesamtes für Gesundheit und Soziales auf die Zuweisung eines Schlafplatzes. (Foto: dpa)

Das Berliner Lageso steht in der Flüchtlingskrise für totales Versagen. Jetzt ist Amtsleiter Franz Allert zurückgetreten. Ein überfälliger Schritt.

Kommentar von Heribert Prantl

Der SPD-Vorstand hat für den an diesem Donnerstag beginnenden Parteitag einen respektablen 19-seitigen Antrag zur Flüchtlingspolitik formuliert: Darin steht viel Kluges, viel Bemerkens- und Bedenkenswertes. Wenn dieser Antrag nicht nur Papier bliebe, sondern Leitlinie würde für die deutsche Einwanderungs-, Migrations- und Integrationspolitik: Man könnte zuversichtlich in die Zukunft schauen. Aber die Praxis der Bundesregierung unter Angela Merkel und Sigmar Gabriel ist von den Leitlinien des SPD-Papiers weit entfernt. So viel zum Bund.

Wenn es um das Bundesland Berlin geht, um die Flüchtlingspolitik in der Hauptstadt also, dann ist es noch viel schlimmer. Die Entfernung zwischen dem schönen SPD-Papier und der Realität in Berlin lässt sich nur in Lichtjahren messen. Die Realität in Berlin heißt Lageso; das ist das Kürzel für das "Landesamt für Gesundheit und Soziales". Es steht seit Monaten für ein totales Behördenversagen. Die Behörde dieses Namens soll die Flüchtlinge betreuen; sie ist nicht einmal in der Lage, sie zu registrieren.

So sieht abschreckende Flüchtlingspolitik aus

Das Ordnungssystem dieser Behörde ist das Chaos. Die unbearbeiteten Fälle dort stapeln sich in gelben Postkisten, die ohne System und Verstand irgendwo gelagert werden. Es gibt in diesem Amt, so erzählen es willige Mitarbeiter, den Job des Aktensuchers; diese Leute sind nur damit befasst, Akten zu suchen. Und draußen vor der Tür warten Tag für Tag vom frühesten Morgen an Männer, Frauen und Kinder, die, oft genug vergeblich, um die Dienste des Amtes betteln. Berlin wird gern als coole Stadt beschrieben; aber das hier ist nicht cool, sondern nur unwürdig.

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Im Angesicht der Flüchtlingskrise steht die Berliner Behörde seit Wochen in der Kritik. Nun trat Chef Allert zurück - die CDU attackiert daraufhin den Regierenden Bürgermeister Müller.

Der Historiker Cordon Craig zitiert in seiner "Deutschen Geschichte von 1866 bis 1945" den Historiker Treitschke, der über die Zustände im Mecklenburg des ausgehenden 19. Jahrhunderts geschrieben hat: Die Bedingungen dort seien derart, dass sie "eine gesittete Nation nicht ohne Erröten betrachten" könne. Das gilt heute für Berlin: Das Lageso ist wohl die schlechteste Verwaltungsbehörde Deutschlands. Verantwortlich dafür ist nicht nur der Sozialsenator Mario Czaja von der CDU; verantwortlich ist der Regierende Bürgermeister Michael Müller von der SPD, verantwortlich ist der gesamte rot-schwarze Senat.

Nun ist wenigstens Lageso-Präsident Franz Allert zurückgetreten. Müller hatte zuvor auf dessen Entlassung gedrängt, sich aber viel zu viel Zeit gelassen. Das hat dem Ansehen Berlins geschadet. Zuletzt hatte Allert angekündigt, über Weihnachten keine Flüchtlinge zu registrieren.

Wer in der Praxis studieren wollte, wie abschreckende Flüchtlingspolitik aussieht, der musste sich nur im Lageso umschauen. Was dort zu sehen war, war sicher nicht das Ergebnis böser Planung, wohl aber das von Unfähigkeit. Bürgermeister Müller wird gewiss leugnen, dass man in seiner Stadt Flüchtlinge abschrecken wolle; er redet ja gut über sie, er wird gewiss auch für den Antrag seines Parteivorstands stimmen.

In diesem Antrag ist von einer "Verantwortungsgemeinschaft" die Rede; es müsse allen die Hand gereicht werden, "die mit Herz und dem notwendigen Sinn für die Realität" Flüchtlingsarbeit machen. In Berlin reicht es aber nicht mehr, die Hand zu reichen. Dort fehlte es der Regierung und Verwaltung bisher an Herz und Hirn, es fehlte an der Beachtung der Grundregeln der Bürokratie, es fehlte daran, dass jemand dem Flüchtlingsamt das Phlegma und den stoischen Schlendrian austreibt.

Vierzig Rechtsanwälte haben gegen den CDU-Sozialsenator und dessen Lageso-Amtsleiter Anzeige wegen Körperverletzung und Nötigung im Amt eingereicht. Das war ein Hilferuf. Michael Müller hat ihn nun gehört. Der Regierende Bürgermeister hat reagiert - immerhin.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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