Flüchtlings- und Migrationspolitik:Seehofers leicht entzündliches Material

Ausweis für Flüchtlinge, die in Deutschland geduldet werden

Der Bundestag berät an diesem Donnerstag über drei Migrationsgesetze.

(Foto: dpa)
  • Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz soll dafür sorgen, dass abgelehnte und vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber auch tatsächlich das Land verlassen.
  • Nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz soll seinen deutschen Pass verlieren, wer neben der deutschen noch eine andere Staatsangehörigkeit und für eine ausländische Terrormiliz gekämpft hat.
  • Das "Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz" soll die Integration geduldeter Migranten beschleunigen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Das Paket enthält leicht entzündliches Material, und es wird nun per Express zugestellt. Gleich drei kontroverse Migrationsgesetze werden an diesem Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten.

Den Auftakt macht Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit seinem Entwurf des sogenannten "Geordnete-Rückkehr-Gesetzes". Es soll dafür sorgen, dass abgelehnte und vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber auch tatsächlich das Land verlassen. In mehr als der Hälfte der Fälle gelingt das nicht, etwa weil Migranten noch einmal den Rechtsweg einschlagen, weil gültige Personalpapiere fehlen, oder weil die betreffende Person am Tag der Abschiebung nicht aufzufinden ist.

Seehofer hat nun einen Entwurf vorgelegt, dem auch die SPD-Ressorts zugestimmt haben. "Wir verbessern die Voraussetzungen erheblich, damit die Ausreisepflicht auch durchgesetzt werden kann", sagte er am Donnerstag im Bundestag. Das "Phänomen des Abtauchens" zum Zeitpunkt der Abschiebung sei ein "Haupthindernis" bei der Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerber. Im Kern sieht Seehofers Entwurf vor, dass künftig schärfer unterschieden wird zwischen Menschen, die es nichts dafür können, dass ihre Abschiebung ausfällt - und solchen, die dies nach Ansicht der Behörden selbst zu verantworten haben.

"Ausreisepflichtige, denen die fehlende Durchsetzung ihrer Ausreisepflicht zuzurechnen ist, etwa weil sie ihre Identität verschleiern, sind hinsichtlich ihres Status von denjenigen, die unverschuldet nicht ausreisen können, zu unterscheiden und stärker zu sanktionieren", heißt es im Entwurf.

Zu den "Mitwirkungspflichten", die der Gesetzentwurf definiert, gehört die Aufklärung der eigenen Identität, also "zumutbare Handlungen zur Beschaffung eines Passes". Ausreisepflichtige müssen an Anhörungen teilnehmen, bei der Botschaft des eigenen Landes vorsprechen und eine "Erklärung gegenüber den Behörden des Herkunftsstaates" abgeben, "freiwillig" auszureisen. Tun sie das nicht, sollen sie rechtlich schlechter gestellt werden.

Statt einer Duldung bekommen abgelehnte Asylbewerber dann noch eine "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" - mit erheblichen Folgen. "Die Sanktionen lauten: Erwerbstätigkeitsverbot, Wohnsitzauflage, Verhinderung der Aufenthaltsverfestigung und auch die Möglichkeit der Verhängung von Bußgeldern", sagte Seehofer. Kritiker wandten ein, in vielen Fällen scheitere die Beschaffung von Papieren auch an uneffektiver Bürokratie.

Seehofers Entwurf aber sieht noch härtere Druckmittel vor. Ausreisepflichtige sollen künftig zur "Sicherung" der Abschiebung in Haft genommen werden können, etwa wenn "Fluchtgefahr" besteht. Die richterliche Kontrolle dabei soll eingeschränkt werden. Der Begriff Fluchtgefahr wurde außerdem erweitert. Als Indiz dafür soll nicht nur gezieltes "Täuschen" bei der Identität gelten. Auch ein einziger, unentschuldigt verpasster Termin bei der Ausländerbehörde kann als Hinweis auf Fluchtgefahr gewertet werden. Zudem soll das Verschweigen eigener Finanzmittel oder das Fehlen einer festen Adresse begründen können, dass jemand in "Sicherungshaft" genommen wird.

Gemeinsame Unterbringung von Abschiebehäftlingen und Straftätern

Neu eingeführt wurde auch die "Mitwirkungshaft", wonach Ausreisepflichtige festgehalten werden können, um sie Mitarbeitern einer Botschaft zuzuführen. Außerdem soll der "Ausreisegewahrsam" an Flughäfen ausgebaut werden. Straftäter sollen schneller abgeschoben werden können. Statt einer Freiheitsstrafe von einem Jahr soll eine Verurteilung zu sechs Monaten Haft genügen, um abgeschoben werden zu können.

Seehofer ursprünglicher Plan, Flüchtlingshelfer mit Haftstrafen zu bedrohen, wenn sie eine Abschiebung verhindern, wurde auf Druck der SPD aufgegeben. Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes allerdings droht strafrechtliche Verfolgung, wenn sie Abschiebetermine weitergeben.

Auch die gemeinsame Unterbringung von Abschiebehäftlingen und Straftätern in gewöhnlichen Strafanstalten, die das EU-Recht untersagt, wollte Justizministerin Katarina Barley eigentlich zunächst verhindern, gab dann aber nach. Für die Dauer von drei Jahren soll die gemeinsam Unterbringung auf einem Gelände nun erlaubt werden. Seehofer argumentierte, in "Notlagen" sei eine Aussetzung des Trennungsverbots im EU-Recht zulässig.

Bundestag berät auch über Staatsangehörigkeitsgesetz

Ob eine solche Notlage besteht, bezweifeln Kritiker allerdings. Auch die Justizminister der Länder hatten gegen die gemeinsame Unterbringung protestiert. Nur Kritik aus den Ländern sei hier allerdings "zu wenig", sagte FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg im Parlament. Es müssten neue Abschiebehaftplätze eingerichtet werden.

"Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz hat die verbliebenen Rechte von Geflüchteten bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt", kritisierte die Linken-Politikerin Ulla Jelpke. Die Einschränkung richterlicher Befugnisse gehe "gar nicht". Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Filiz Polat sprach von einem "Katalog der Entrechtung". Seehofers Entwurf sei ein "Schritt zur Orbanisierung" Deutschlands. Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Mathias Middelberg nannte die Äußerungen von Linken und Grünen "unsäglich". Die AfD monierte hingegen, Bundesinnenminister Seehofer sei "weichgeklopft" worden. Es handle sich um ein "Abschiebe-Vermeidungsgesetz".

Und noch eine weitere, kontroverse Novelle stand am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestags: das Staatsangehörigkeitsgesetz. Wer neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch eine weitere besitzt und für eine ausländische Terrormiliz gekämpft hat, der soll in Zukunft seinen deutschen Pass verlieren. Für IS-Kämpfer, die demnächst nach Deutschland zurückkehren wollen, wird die Reform allerdings keine Wirkung mehr entfalten. Denn ex post, also rückwirkend, können Gesetze nicht angewandt werden.

Ärger in der Union über Erweiterung der Integrationsleistungen

Das dritte Migrationsgesetz, das am Donnerstag im Bundestag verhandelt wird, sorgt vor allem innerhalb der Unionsparteien für Ärger. Das "Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz" von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) soll die Integration geduldeter Migranten beschleunigen. In der Bundesregierung setzt sich inzwischen die Überzeugung durch, dass viele Asylbewerber, die Deutschland nur geduldet sind, das Land ohnehin nicht mehr verlassen werden. Deshalb sollen sie möglichst bald unabhängig von Sozialleistungen werden.

Heils Entwurf sieht vor, dass Geduldete sechs Monate nach ihrer Einreise Zugang zu berufsbezogenen Sprachkursen bekommen, es sei denn, sie stammen aus einem sicheren Herkunftsstaat. Menschen, denen der Aufenthalt in Deutschland nur gestattet ist, weil ihr Asylverfahren noch läuft, sollen nach neun Monate einen Integrationskurs besuchen dürfen. Bisher war das nur bei guten Bleibechancen möglich.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wird Heils Gesetz etwa 4400 Menschen zusätzlich den Besuch von Integrationskursen ermöglichen. Protest gegeg den Entwurf kam hier von der Vorsitzenden des Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU). Sie warnte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Das Signal an die Welt wäre fatal." Komme Heils Entwurf so durch Parlament, bekämen auch Menschen ohne Aussicht auf einen positiven Asylbescheid staatliche Integrationsleistungen - und würden dann "nicht mehr freiwillig ausreisen". Im CSU-geführten Bundesinnenministerium hieß es hingegen, man habe nicht vor, von dem vorgelegten Gesetzentwurf abzurücken.

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