Flüchtlings-Sondergipfel:Was Seehofer plant, ist Rechtsbruch

Horst Seehofer, Angela Merkel

Seehofers Plan, Flüchtlinge, die anderso schon registriert sind, verstößt gegen europäisches Recht.

(Foto: dpa)

Der Brüsseler Mini-Gipfel am Sonntag wird keine europäische Lösung in der Migrationspolitik liefern - das Treffen hat einen anderen Zweck.

Kommentar von Thomas Kirchner, Brüssel

Falls es eng wird, kann sich Angela Merkel auf Jean-Claude Juncker verlassen. Dieser Mechanismus macht alle Nicht-Deutschen in Europa rasend: Wie bei der vermaledeiten Maut und anderen Streitpunkten hilft der Kommissionspräsident seiner Parteifreundin wieder aus der Patsche. Denn das Brüsseler Vorgipfel-Treffen, zu dem die Kommission an diesem Sonntag einlädt, ist im Kern nichts anderes als der Versuch, die Bundeskanzlerin vor dem Sturz zu bewahren. Es geht allein darum, die wahlkämpfende CSU zu befrieden, ein Zeichen der Härte gegen Flüchtlinge zu setzen, das die Christsozialen dann als ihren Erfolg verkaufen können.

Unter den von der Kommission verkündeten Maßnahmen findet sich Sinnvolles: So sollen die Schleuser bekämpft und Asylbewerbern Anreize genommen werden, in das Land mit den besten Bedingungen zu reisen. Frontex soll zu einer EU-Grenzpolizei aufgerüstet werden. Das meiste ist ohnehin geplant bei der Reform des europäischen Asylsystems und soll wohl vorgezogen werden. Wieder aufgetischt wird die Idee, im Meer eingesammelte Flüchtlinge in Zentren außerhalb der EU unterzubringen. Das ist unrealistisch, nicht praktikabel und wahrscheinlich illegal.

Seehofer bereitet den Todesstoß vor

Neu hingegen ist die Rede von einem, bitte festhalten, "flexiblen gemeinsamen Rücknahme-Mechanismus in der Nähe der Binnengrenzen". Das soll ähnlich klingen wie die Zurückweisungen an der Grenze, von denen Innenminister Horst Seehofer träumt. Aber nur fast, denn eigentlich müsste die Kommission Seehofers Absicht in aller Schärfe verdammen. Die geplante Zurückweisung all jener Migranten, die anderswo schon registriert sind, verstößt gegen europäisches Recht. Das sagen nicht nur die meisten akademischen Experten, das ist auch aus der Kommission selbst zu hören. Doch Rechtsbruch scheint kein Argument mehr zu sein, wenn Deutschland vor einem mutmaßlichen Migrantenansturm gerettet werden muss.

Was Seehofer vorbereitet, wäre der Todesstoß für den angeblich grenzkontrollfreien Schengenraum, weil es dauerhafte Kontrollen voraussetzt. Noch schlimmer aber ist: Wenn die CSU ihren Willen bekommt, würden sich die Asylbewerber unweigerlich wieder in Griechenland und Italien stauen. Denn auf einen Verteilmechanismus, der diese Länder entlasten würde, können sich die Europäer bekanntlich nicht einigen (was nicht an Merkel liegt, sondern am Ungarn Orbán und seinen Freunden). Warum sollten sich die Italiener darauf einlassen, ohne auf der Stelle mit der Registrierung der Ankommenden aufzuhören und sie wieder durchzuwinken? Kein Wunder, dass sich das Land gegen jegliche Festlegung vor Sonntag sperrt. Wenn überhaupt könnten die Außengrenzstaaten nur mit einer gewaltigen finanziellen Gegenleistung bestochen werden. Dass nun der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber die Kanzlerin vor "Scheckbuchdiplomatie" auf Kosten deutscher Steuerzahler warnt, ist an Unverfrorenheit nicht zu überbieten.

Von einer wirklich europäischen Lösung, die den Namen verdient hätte, die einigermaßen gerecht und machbar wäre, träumen nicht einmal mehr Optimisten. Vor lauter Uneinigkeit bleibt nur der kleinste gemeinsame Nenner: "Schutz der Außengrenze", dicht machen. Wer nicht will, dass Europa zu einer Festung wird, könnte seine Stimme erheben. Aber es ist still. Man hört nur die anderen.

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