Flüchtlinge:Zurück nach Afghanistan

Bundesinnenminister Thomas de Maizière will mit Abschiebungen das Signal aussenden, dass nicht alle Flüchtlinge in Deutschland Asyl bekommen. Nun soll es die erste Sammelabschiebung abgelehnter Asylbewerber geben.

Von Jan Bielicki

Erstmals sind 34 abgelehnte afghanische Asylbewerber per Sammelabschiebung aus Deutschland Richtung Kabul geflogen worden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bestätigte damit am Mittwochabend die Berichte der Flüchtlingslobbyorganisation NoBorder sowie des Spiegel und der ARD, wonach bis zu 50 abgelehnte Asylbewerber zurück in ihre vom Bürgerkrieg zerrüttete Heimat gebracht werden sollten. Das Bundesinnenministerium wollte den Start bis zum späten Abend nicht bestätigen, "weil wir grundsätzlich erst nach deren Abschluss zu solchen Maßnahmen sprechen, schon um deren Durchführung nicht zu gefährden", wie ein Sprecher sagte. Das Ministerium hatte jedoch bereits angekündigt, einen ersten Rückführungsflug noch vor Jahresende starten zu lassen.

Der Flug ist die erste Sammelabschiebung abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan, seit die Bundesregierung und die EU-Kommission sich im Oktober mit der Regierung in Kabul auf eine stärkere Zusammenarbeit "im Bereich der Migration und Rückkehr", so der Titel einer gemeinsamen Erklärung, verständigt hatten. Ende September galten laut Bundesinnenministerium 12 539 Afghanen als ausreisepflichtig. 11 500 von ihnen hatten aber eine Duldung und müssen darum nicht befürchten, sofort abgeschoben zu werden.

Flüchtlinge: Bundesinnenminister Thomas de Maizière will mit Abschiebungen nach Afghanistan das Signal aussenden, dass nicht alle Flüchtlinge in Deutschland Asyl bekommen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière will mit Abschiebungen nach Afghanistan das Signal aussenden, dass nicht alle Flüchtlinge in Deutschland Asyl bekommen.

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Kurz vor Abflug der Maschine stoppte das Bundesverfassungsgericht die Abschiebung eines der Asylbewerber. Das Gericht gab dem Antrag des 29-Jährigen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt, weil ihm sonst die Möglichkeit weitgehend verwehrt wäre, seinen Asylfolgeantrag weiterzuverfolgen. Die Frage, ob Abschiebungen nach Afghanistan derzeit verfassungsrechtlich zulässig sind, ließ das Gericht ausdrücklich offen. Nach Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrats sind außerdem noch zehn weitere Afghanen aus dem Flieger herausgeholt worden. Bei Menschenrechtsgruppen und Opposition stieß die geplante Gruppenabschiebung auf heftigen Protest. "Einfach Menschen nach Kabul fliegen, ausladen und sie ihrem ungewissen Schicksal überlassen, ist verantwortungslos", sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Organisation Pro Asyl. Afghanistan sei "eines der gefährlichsten Länder der Welt", sagte die grüne Parteivorsitzende Simone Peter. Die Bundesregierung dagegen hält einige Regionen Afghanistans für sicher. Auch die Internationale Organisation für Migration (IOM) führt nach eigenen Angaben freiwillige Ausreisen aus Deutschland nach Afghanistan durch, weil es in einigen Regionen ausreichend sicher sei. Tatsächlich ist die Lage schwierig. Pakistan und Iran schicken seit Monaten Flüchtlinge zurück nach Afghanistan. Dort ist die Zahl der Vertriebenen dramatisch gestiegen: Die UN zählten mehr als 150 000 Menschen, die allein im Oktober innerhalb Afghanistans geflohen waren - die höchste Zahl in den vergangenen fünf Jahren.

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