Flüchtlinge:Werte? Abendländischer Humanismus? Wie wäre es mit Logik?

Flüchtlinge: Syrische Flüchtlinge in einem Camp im Libanon.

Syrische Flüchtlinge in einem Camp im Libanon.

(Foto: AP)

Menschen fliehen, weil ihnen die Lebensgrundlage genommen wird. Die Armen werden ärmer, die Reichen werden reicher. Es ist Zeit zu handeln.

Kommentar von Nadia Pantel

Vor ein paar Monaten besuchte ein Moderator des Norddeutschen Rundfunks das edle Hamburg-Harvestehude und fragte die Anwohner, wie sie es finden, dass in der Nachbarschaft 200 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Ihm wurde erklärt, das sei unmöglich. Dabei sprachen die Harvestehuder interessanterweise aus der Perspektive der Geflüchteten: "Die können sich hier gar nicht wohlfühlen, die können sich hier ja nicht mal ein halbes Pfund Margarine leisten." Der arabische Raum ist in Hamburg-Harvestehude bisher vor allen Dingen in Form des Bulgursalates bei Butter Lindner angekommen, für 29,50 Euro das Kilo.

Wenn Flüchtlingsheime in Deutschland mit Granaten und Molotowcocktails beworfen werden, wirkt es, als seien die Gegner der Aufnahme von Geflüchteten vor allem randalierende Rechtsradikale. Dass das nicht stimmt, zeigt nicht nur der Blick nach Harvestehude, sondern auch der auf die Weltkarte. 4,8 Millionen Syrer sind vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen. Aufgenommen wurden sie in ihren vergleichsweise armen Nachbarländern, in der Türkei, in Libanon, Jordanien und Ägypten.

Das Chaos will nicht ins westliche Selbstbild passen

Auf einer Flüchtlingskonferenz in Genf wollten die Vereinten Nationen nun auch reichere Länder überzeugen, Syrer aufzunehmen. Zehn Prozent der Geflüchteten sollen in Industrienationen ein neues Leben beginnen. Diese 480 000-Menschen-Marke ist ebenso niedrig wie ambitioniert. Denn der Geist von Harvestehude hat es sich weltumfassend bequem gemacht.

Für Europa ist diese laxe Geht-gerade-nicht-Haltung schwieriger geworden, weil Krieg und Krise in Syrien einfach zu nahe sind. Doch Wohlstandsstaaten wie die USA oder Japan, an deren Grenzen keine Kriegsflüchtlinge ihre Iglu-Zelte aufgebaut haben, können sie weiterpraktizieren, ohne sich auch nur internen Debatten aussetzen zu müssen.

Das vorübergehende Chaos, das jede Flucht nach sich zieht, für den Einzelnen wie für die Gemeinschaft, will nicht recht in das westliche Selbstbild von Ruhe, Ordnung, Wohlstand passen. Menschen, die von null aus anfangen müssen, fügen die sich nicht leichter ein in Länder, in denen ohnehin nicht allzu viel Komfort herrscht? Könnte man sich die Integrationsdebatte nicht ersparen, wenn die Kriegstraumatisierten in Libanon blieben, wo die Menschen wissen, was Bomben bewirken?

Wie wäre es mal mit Logik?

Solche Gedanken sind der Subtext einer Argumentation, die fürs eigene Land reklamiert, dass eine Aufnahme Geflüchteter leider nicht möglich sei. Während die reichen Länder, von Europa über die USA bis in den asiatischen und arabischen Raum, sich weitgehend einig sind, ihre Gesellschaften seien zu fragil, um mehr Hilfe zu leisten, verlieren unzählige Menschen weiterhin ihre Heimat.

Um Staaten zur Aufnahme von Flüchtlingen zu bewegen, redet der sogenannte Westen gern über Werte und abendländischen Humanismus. Aber wie wäre es stattdessen einfach mal mit Logik? Menschen fliehen, weil Krieg, Dürre oder Ausgrenzung ihnen die Lebensgrundlage nehmen. Ob sie nun Syrer, Roma oder Somalier sind: Das Land, das sie aufnimmt, wird statistisch gesehen ein armes Land sein, in dem sie wenig Chancen auf einen tatsächlichen Neuanfang haben.

Das führt global zu derselben Dynamik, die jedes Land lokal begrenzt studieren kann: Die Armen werden ärmer, die Reichen werden reicher. Sprich: Wer ohnehin instabile Länder damit alleine lässt, Heimatlose aufzunehmen, züchtet nur weitere Krisen, die zu weiterer Flucht führen.

Wenn die Menschen beim Nachhausetragen ihrer Feinkosttüten spüren, wie ein leichter Wind der sozialen Unruhe anhebt, dann spüren sie richtig. Sie irren allerdings, wenn sie glauben, dass der Wind an ihnen vorüberziehen wird.

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