Migrationspolitik:Widerstand gegen Verteilung von Geflüchteten wächst

Seenotrettung: Flüchtlinge an Bord der Ocean Viking

Italien - und dann? Aus Seenot gerettete Migranten an Bord der Ocean Viking, bei der Einfahrt in den Hafen von Messina.

(Foto: Renata Brito/AP)

Wird es eine Lösung für die aus Seenot geretteten Migranten geben? Vor dem Treffen der EU-Innenminister zeigen sich die Staaten zögerlich.

Von Karoline Meta Beisel, Luxemburg, und Constanze von Bullion, Berlin

Nach dem Treffen auf Malta im September hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) noch Optimismus verbreitet: Er glaube, dass sich "zwölf bis 14 Mitgliedstaaten" an einem Notfallmechanismus zur Verteilung von aus Seenot geretteten Migranten beteiligen würden. An diesem Dienstag will Seehofer bei einem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg nun noch einmal um Unterstützer für die von Deutschland, Frankreich, Malta und Italien erdachte Vereinbarung werben, aber der Optimismus dürfte inzwischen dahin sein: In Brüssel glaubt kaum noch jemand, dass am Dienstag tatsächlich ein Durchbruch gelingen könnte. "Da werden kaum mehr als eine Handvoll Länder zusammenkommen", sagt ein EU-Diplomat.

Die Gründe für das Zögern der anderen Mitgliedstaaten sind vielfältig: So stand die zentrale Mittelmeerroute über Italien und Malta zwar lange im Fokus der Öffentlichkeit - nicht zuletzt dadurch, dass der frühere italienische Innenminister Matteo Salvini den Schiffen privater Seenotretter die Einfahrt in italienische Häfen verbot und damit menschliche Dramen an Bord in Kauf nahm. Tatsächlich aber ist der Druck auf der westlichen Route über Spanien und vor allem im Osten über Griechenland deutlich größer.

Vor allem die Anrainerstaaten dieser Routen werben darum für eine Lösung, die allen Mittelmeerländern der EU zugutekommt. Griechenland, Zypern und Bulgarien wollen bei dem Mittagessen am Dienstag ein eigenes Papier vorlegen: "Obwohl alle Untersuchungen darauf hindeuten, dass die Ankunftszahlen auf der östlichen Mittelmeerroute steigen, wurden die Belange dieser Route nicht ausreichend in den Blick genommen", heißt es darin. In dem Papier fordern die drei Länder einen Verteilmechanismus für die Migrationsströme auf allen Mittelmeerrouten und Unterstützung für jene Länder, die von der Situation besonders betroffen sind. "Die Hauptankunftsländer sind Spanien und Griechenland, und für diese Länder wird keine Lösung gefunden", sagt auch der grüne Europaabgeordnete Erik Marquardt. "Daran merkt man, dass es hier eher um Symbolpolitik geht als darum, die tatsächlichen Notlagen zu lösen."

Seenotretter meldeten, dass die italienische Küstenwache sie um Hilfe bat

Andere Länder haben sich noch nicht so klar positioniert - sie wollen nur mitmachen, wenn genug weitere Länder auch dazu bereit sind. Bis jetzt aber hat kein einziges EU-Mitgliedsland seine Zusage zu der Vereinbarung angekündigt. Mancher Beobachter hält es sogar für möglich, dass sich daran auch nichts mehr ändert.

Der Regierungswechsel in Italien dürfte zusätzlich dazu beigetragen haben, dass manche EU-Länder weniger Handlungsdruck empfinden als vor einigen Monaten. Am Montag vermeldeten etwa die Seenotretter der Ocean Viking, die italienische Küstenwache habe sie gebeten, sich an einer Rettungsaktion vor Lampedusa zu beteiligen - undenkbar unter Salvini.

Auch in Berlin war man am Montag bemüht, die Erwartungen an das Treffen zu dämpfen und Ärger zu vermeiden. Niemand wolle Druck auf andere EU-Staaten ausüben, sofort einem festen Verteilungsmechanismus zuzustimmen, betonte ein Sprecher von Seehofer: "Es geht darum, zu werben und Unterstützung zu finden." Selbst das Ziel, zu einem festen Verteilungsschlüssel zu kommen, wird im Ministerium jetzt vorsichtig aufgeweicht. Seehofer hatte angeboten, Deutschland könne jeden vierten Flüchtling aufnehmen, der vor Italien oder Malta gerettet wird. Aus der Union kam scharfe Kritik. Und einige EU-Nachbarn vermeiden jede Festlegung. "Ob es am Ende auch Quoten gibt, ist offen", sagte der Sprecher nun. Man versuche zunächst, möglichst viele Staaten für die Idee zu gewinnen. "Da muss man natürlich auch noch Beweglichkeit zeigen."

Die Chance auf einen Durchbruch am Dienstag ist also mau. Das Unterfangen, die Verteilung der aus Seenot geretteten Migranten gemeinsam zu verteilen, werten Beobachter in Brüssel dennoch als Erfolg: "So konstruktiv wie in den vergangenen Wochen haben wir schon lange nicht mehr über das Thema gesprochen", sagt ein Diplomat.

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