Flüchtlinge:Spanien bittet um Hilfe

Flüchtlinge: Südspanien ist mit der Aufnahme der Flüchtlinge überfordert: Ankömmlinge am Hafen von Tarifa.

Südspanien ist mit der Aufnahme der Flüchtlinge überfordert: Ankömmlinge am Hafen von Tarifa.

(Foto: Jorge Guerrero/AFP)

Madrid verhandelt wegen der höheren Flüchtlingszahlen in zwei Richtungen: mit afrikanischen Ländern und der EU.

Von Thomas Urban, Madrid

Die neue spanische Regierung hat ihre diplomatischen Bemühungen um die Eindämmung der Migrationsbewegung aus Afrika verstärkt. Innenminister Fernando Grande-Marlaska flog am Montag nach Mauretanien, über das eine der Hauptrouten nach Marokko führt. Die Pressestelle seines Ministeriums teilte mit, dass Madrid auch die Europäische Kommission um rasche Unterstützung bei der Aufnahme der Ankömmlinge gebeten habe. Derzeit passieren besonders viele Afrikaner die Straße von Gibraltar. Die marokkanische Regierung mahnte eine Erhöhung der Zahlungen aus Brüssel für ihren Beitrag zum Schutz der EU-Außengrenzen an. Marokko ist seit mehreren Wochen das wichtigste Zwischenziel afrikanischer Migranten. Aufgrund von Abkommen zwischen Madrid und Rabat hatten der marokkanische Grenzschutz und die Küstenwache in den vergangenen Jahren einen Großteil der Migranten auf dem Weg zu den Küsten oder den Grenzanlagen um die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla abgefangen.

Die Zusammenarbeit der beiden Länder hatte so reibungslos funktioniert, dass im vergangenen Jahr nur 7500 Afrikaner über diese Routen auf spanisches Territorium gelangt waren. Die spanischen Behörden ließen die allermeisten nach einer meist nur wenige Tage dauernden Überprüfung in ihre Wunschländer Frankreich und Deutschland weiterreisen.

Spanische Experten nehmen an, dass die Führung in Rabat testen möchte, inwieweit sie auf die neue sozialistische Regierung in Madrid Druck ausüben kann. Deshalb lasse man derzeit einen Großteil der jungen Afrikaner, die sich im Küstenstreifen sammeln, unbehelligt. In Madrid stellte der neue Oppositionsführer Pablo Casado klar, dass die seit zehn Tagen von ihm geführte konservative Volkspartei (PP) die Massenimmigration in den kommenden Wahlkämpfen thematisieren werde. Auf Twitter verkündete er: "Kein Sozialstaat ist in der Lage, Millionen Afrikaner zu absorbieren." Diesen Zungenschlag gab es bisher kaum in der spanischen Politik.

Der Migrationsexperte Gerald Knaus, Vorsitzender der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative in Berlin, regte im Gespräch mit der Tageszeitung Die Welt Aufnahmezentren für Migranten auf spanischem Boden an, die Spanien, Frankreich, die Niederlande und Deutschland als Hauptzielländer gemeinsam einrichten sollten. Die Prüfverfahren könnten auf diese Weise nach wenigen Wochen abgeschlossen sein. Die Immigranten, denen kein Flüchtlingsstatus zuerkannt werde, müssten sofort zurückkehren. Knaus sprach sich dafür aus, das Konzept von einer Verteilung der anerkannten Flüchtlinge und Asylanten unter allen EU-Staaten aufzugeben. Den osteuropäischen EU-Staaten, die dieses Konzept torpediert haben, sollten keineswegs die Mittel aus Brüssel gekürzt werden, vielmehr sollten für sie finanzielle Anreize geschafft werden, sich doch daran zu beteiligen.

Knaus war an der Erarbeitung des Abkommens zwischen der EU und der Türkei beteiligt, das zu einem starken Rückgang der Migrantenzahlen im östlichen Mittelmeerraum geführt hat. Er sprach von einem "moralischen Realismus", der gleichzeitig die UN-Flüchtlingskonvention respektiere und die illegale Migration reduziere. Dazu müssten den Herkunftsländern der Migranten auch konkrete Angebote für legale Aufenthalte in den EU-Ländern gemacht werden, etwa über Stipendien und Arbeitsvisa.

Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock lehnte Knaus' Vorschlag ab. So ein Zentrum könne sich leicht "zu einem Massenlager mit katastrophalen Zuständen" entwickeln.

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