Migration:Seehofer will jeden vierten auf See geretteten Flüchtling aufnehmen

Seenotrettung im Mittelmeer - ´Alan Kurdi"

Sicherer Hafen nicht in Sicht: Seenotretter der Organisation Sea-Eye nähern sich einem im Mittelmeer treibenden Flüchtlingsboot. (Archivbild)

(Foto: Fabian Heinz/dpa)

"Wir werden niemanden ertrinken lassen", sagt der Bundesinnenminister. Es geht auch darum, die neue italienische Regierung zu entlasten.

Von Constanze von Bullion, Matthias Kolb und Oliver Meiler, Berlin

Um die neue italienische Regierung zu entlasten und die Verteilung von Flüchtlingen in Europa voran zu bringen, will die Bundesregierung jeden vierten Flüchtling einreisen lassen, der nach einer Seenotrettung in Italien gelandet ist. Auch Frankreich soll dem Vernehmen nach bereit sein, 25 Prozent dieser Migranten zu übernehmen. Damit zeichnet sich erstmals eine zumindest vorläufige Lösung bei der Flüchtlingsverteilung in Europa ab. Der Vorschlag soll beim Treffen der EU-Innenminister am 23. September in Malta fixiert und im Oktober dem Europäischen Rat vorgelegt werden.

"Ich habe immer gesagt, unsere Migrationspolitik ist auch human. Wir werden niemanden ertrinken lassen", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der Süddeutschen Zeitung. "Die Gespräche laufen noch. Aber wenn alles bleibt wie besprochen, können wir 25 Prozent der aus Seenot geretteten Menschen übernehmen, die vor Italien auftauchen. Das wird unsere Migrationspolitik nicht überfordern."

Eine ursprünglich von Seehofer gewünschte Regelung, wonach Flüchtlinge zunächst zu Ausschiffungsplattformen in Nordafrika gebracht werden stollen, um dort ihr Asylverfahren zu durchlaufen, sei vorerst vom Tisch. "Dazu braucht es ein bis zwei Länder in Nordafrika, die das befürworten. Die gibt es nicht."

Frankreich, Deutschland, Italien und Malta wollen beim Treffen auf Malta zunächst eine vorläufige Quotenregelung fixieren. "Die Erwartung ist, dass weitere Staaten sich anschließen", sagte Seehofer. Durch die geplante Vereinbarung, über die zunächst Bild berichtete, ändere sich für Deutschland nichts. Die Zahl Geflüchteter bleibe überschaubar, man habe auch bisher schon rund ein Viertel der Geretteten aus Italien übernommen: "An diesem Schlüssel ändert sich nichts." In den vergangenen zwölf Monaten kamen laut Bundesinnenministerium 561 Bootsflüchtlinge über Italien nach Deutschland.

Italiens neuer Regierung käme die geplante Regelung entgegen. Sie fordert von den europäischen Partnern längst einen verbindlichen Beitrag zur Aufnahme von Migranten. Die eben erst geformte Regierung aus Cinque Stelle und Sozialdemokraten will sich vom politischen Vermächtnis des ehemaligen Innenministers Matteo Salvini distanzieren, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, laxer mit illegaler Einwanderung umzugehen. Berlin und Paris wiederum wollen der Regierung von Giuseppe Conte den Start erleichtern.

Conte hatte kürzlich von einer "strengen, aber menschlichen Migrationspolitik" gesprochen, die seine Regierung anstrebe. Bei einem Besuch in Brüssel pochte er darauf, dass Länder, die sich nicht hilfsbereit zeigten, Flüchtlinge aus Italien zu übernehmen, mit Geldstrafen belegt werden sollten. Kaum war er zurück in Rom, berief er eine Sitzung ein mit allen Ministern, die sich mit Migration beschäftigen: Neben der Innenministerin sind das auch die Ministerin für Transport sowie der Außen- und der Verteidigungsminister. Auch das war als Signal des Wandels gedacht: Bisher hatte Innenminister Salvini die Thematik ganz alleine besetzt. Rom rechnet sich mehr politisches Gewicht in Europa aus, wenn es sich aus der Isolation löst - gerade beim Thema Migration.

In Brüssel hingegen sehen einige EU-Diplomaten die Suche nach kurzfristigen Lösungen kritisch - vor allem solche, deren Länder in Malta nicht mitverhandeln werden. Sie befürchten, dass eine Übergangslösung die nötige langfristige Reform der EU-Asylpolitik erschweren könnten. Zwar wird in Brüssel sehr begrüßt, dass die neue italienische Regierung sich kompromissbereit zeigt. Allerdings weisen Diplomaten auch darauf hin, dass einer dauerhaften Regelung über die Verteilung von Flüchtlingen in der EU nicht nur Italien und Griechenland zustimmen müssten, sondern auch Spanien. Dort jedoch sind Neuwahlen sehr wahrscheinlich.

Als wichtiges Ziel gilt vielen zudem die einheitliche Registrierung der Flüchtlinge. Das EU-Asylregister Eurodac sehen einige EU-Staaten als fehlerhaft an. Aber auch Fragen der Sicherheit sind noch zu klären. Er werde darauf dringen, aus Seenot gerettete Menschen noch in Italien einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, kündigte Seehofer an. Italiens neue Innenministerin Luciana Lamorgese wiederum dürfte auf Verbindlichkeit der geplanten Quotenregelung dringen. Am Mittwoch wird sie in Berlin erwartet.

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