Flüchtlinge:Schweiz nimmt Flüchtlingen Geld ab - und findet das selbstverständlich

  • Die Schweiz nimmt Flüchtlingen bei der Einreise Geld ab, wenn sie umgerechnet mehr als 1000 Franken bei sich führen.
  • Laut Regierung gibt es diese Regelung seit mehr als 20 Jahren.
  • Eine Gesetzesänderung hält die Schweizer Flüchtlingshilfe für ausgeschlossen: "Die Stimmung im Land ist klar Anti-Flüchtlinge."

Von Charlotte Theile, Zürich

Als Dänemark vor einigen Tagen ankündigte, Flüchtlingen Geld und Wertsachen abnehmen zu wollen, war das Echo gewaltig. Das UN-Flüchtlingshilfswerk sprach von einem "Affront gegen die Würde" schutzsuchender Menschen, einige fühlten sich an die Nazis erinnert, die das Gold der Juden konfiszierten.

Für Léa Wertheimer, Sprecherin des schweizerischen Staatssekretariats für Migration, kam das überraschend. "In der Schweiz gibt es diese Praxis seit mehr als zwanzig Jahren, sie ist durch Volksentscheide abgesegnet." Flüchtlinge, die bei der Ankunft in der Schweiz Vermögenswerte von mehr als 1000 Franken (etwa 915 Euro) mit sich führen, müssen alles was darüber hinausgeht, abgeben. Für eine syrische Familie, die mit umgerechnet etwa 2000 Euro Bargeld in die Schweiz einreist, heißt das: Etwa die Hälfte wird konfisziert. Die Betroffenen erhalten eine Quittung. Diesen Fall schilderte ein Asylbewerber am Donnerstagabend im Schweizer Fernsehen, anonym, da er Nachteile für sich und seine Familie fürchtet.

Das Staatssekretariat für Migration in Bern beruft sich auf einen Passus im Asylgesetz. Dort ist festgehalten, dass sich Flüchtlinge an den Verfahrenskosten beteiligen müssen.

Auch für Stefan Frey von der Schweizer Flüchtlingshilfe ist dieser Grundsatz unstrittig. "Wir halten es jedoch für falsch, dass der Staat hier wie ein Raubritter auftritt und Eigentum konfisziert." Neben des Imageschadens, der so entstehe, würden gerade die Flüchtlinge abgeschreckt, die schnell auf eigenen Beinen stehen könnten. Frey plädiert für eine Art Bafög-System: Flüchtlinge sollten sich zu einem späteren Zeitpunkt an den entstandenen Kosten beteiligen. Eine entsprechende Gesetzesänderung hält er jedoch für ausgeschlossen: "Die Stimmung im Land ist klar anti Flüchtlinge."

2015 wurden 210 000 Franken konfisziert

Es ist eine Stimmung, in der Flüchtlinge, die sich beschweren oder etwas fordern, mit einem Sturm der Entrüstung zu rechnen haben. Auch der Bericht des Schweizer Fernsehens provoziert unzählige Kommentare, fast alle sind sich einig: Dass sich Flüchtlinge an den entstehenden Kosten beteiligen, sei eine Selbstverständlichkeit.

Im Jahr 2015 wurden bei 112 Personen insgesamt 210 000 Franken konfisziert. Persönliche Wertgegenstände, zum Beispiel Schmuck oder Eheringe, sind - anders als in Dänemark - von dieser Regelung ausgenommen. Wer das Land innerhalb von sieben Monaten wieder verlässt, erhält das Geld zurück.

Dennoch: 210 000 Franken sind für die betroffenen Flüchtlinge viel, für die Schweiz dagegen sehr wenig Geld. Ob das Land das Geld wirklich nötig hat, will Wertheimer nicht bewerten. Sie sagt: "Diese Praxis fußt auf einem bewährten Grundsatz: Auch die übrigen Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz müssen die Kosten zurückerstatten, die sie der Sozialhilfe verursachen."

Vom UN-Flüchtlingshilfswerk dagegen heißt es, man sehe die Schweizer Praxis ebenso kritisch wie die Pläne Dänemarks. Es handle sich um einen willkürlichen Eingriff in die Rechte des Einzelnen.

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