Asyl:Bundesregierung will besonders Schutzbedürftige ins Land holen

Stephen O'Brien

Wenigen Flüchtlingen aus dem jordanischen Lager Zaatari öffnet sich ein Weg nach Deutschland.

(Foto: AP)
  • Die Bundesregierung will 10 200 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge bis 2020 im Rahmen sogenannter Resettlement-Programme ins Land holen.
  • Ein Pilotprogramm sieht vor, dass Privatleute, Kirchen und gemeinnützige Stiftungen besonders verletzliche Geflüchtete unterstützen.
  • In Kanada und Großbritannien gibt es vergleichbare Konzepte seit Jahrzehnten.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Das Programm zielt auf die besonders Geschundenen: auf Folteropfer aus libyschen Gefangenenlagern, auf vergewaltigte Frauen oder Männer, geflüchtete Kinder, Schwangere und Gebrechliche. 10 200 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge will die Bundesregierung bis 2020 im Rahmen sogenannter Resettlement-Programme ins Land holen. Die Aufnahme ist politisch erwünscht als legale Einwanderung aus humanitären Gründen, sie geht aber nur schrittweise voran. Nun soll die staatliche Umsiedlung besonders Schutzbedürftiger mit privater und kirchlicher Tat- und Finanzkraft verstärkt werden.

Neustart im Team, kurz "NesT", heißt ein Pilotprogramm, das am Montag im Bundesinnenministerium vorgestellt wurde. Es sieht vor, dass Privatleute, Kirchen und gemeinnützige Stiftungen in die Lage versetzt werden, besonders verletzliche Geflüchtete organisatorisch und finanziell zu unterstützen. Bei dieser öffentlich-privaten Partnerschaft bahnen Bundesinnenministerium, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) den Schutzbedürftigen einen legalen Weg nach Deutschland.

Das Asylverfahren entfällt, die Integration soll möglichst schnell gehen

Im Gegenzug müssen Kirchengemeinden oder private Gruppen von mindestens fünf Personen den Geflüchteten eine Wohnung bereitstellen. Mindestens zwei private Mentorinnen oder Mentoren pro Gruppe müssen in den ersten beiden Jahren die Nettokaltmiete der Geflüchteten übernehmen. Das Asylverfahren entfällt, die Integration soll möglichst schnell gehen. Die zivilgesellschaftlichen Gruppen sollen bei der Suche nach Sprachkursen oder Ausbildungsplätzen helfen und werden dabei von einer Kontaktstelle unterstützt.

Nur eine Ehefrau

Wer eine Mehrehe eingegangen ist, soll nach dem Willen von Innenminister Horst Seehofer (CSU) grundsätzlich nicht mehr Deutscher werden können. Eine entsprechende Regelung solle im Herbst Eingang in eine weitere Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes finden, erklärte das Ministerium am Montag. Daneben solle "deutlich gemacht werden, dass eine Identifikation mit dem Gemeinwesen" von jedem Neubürger erwartet werde. Eigentlich wollte Seehofer das schon in der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts regeln, die das Kabinett im April beschlossen hat. Doch dagegen hatte das SPD-geführte Justizministerium Bedenken erhoben.

Das Projekt sei "sinnstiftend", sagte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), am Montag in Berlin. Zusammen mit Kirchen und gemeinnützigen Verbänden werde dabei ehrenamtlichem Engagement ein "besonderes Augenmerk" gewidmet. Zudem biete "NesT" Flüchtlingen auf legalem Weg eine Perspektive. "Sie haben vom ersten Tag an die Rechtssicherheit, dass sie einen Aufenthaltstitel für drei Jahre haben." Dieser Status sei verlängerbar.

Resettlement heißt Umsiedlung und ist eine international anerkannte Maßnahme, mit der besonders verletzliche Opfer von Krieg, sexueller Gewalt oder anderer Misshandlung gezielt aus Krisenregionen geholt werden. Dabei wählt das UNHCR Geflüchtete nach Bedürftigkeit aus und unterzieht sie einer Sicherheitsüberprüfung. Dann sollen sie auf verschiedene Staaten verteilt werden. Mehr als 1,4 Millionen Resettlement-Plätze werden laut UNHCR weltweit gebraucht, 2018 konnten aber nur 55 692 Personen in Sicherheit gebracht werden. Die katastrophalen Zustände in libyschen Flüchtlingslagern haben den Bedarf weiter erhöht.

Deutschland will 10 200 Personen aufnehmen

Von den 50 000 Schutzbedürftigen, die bis 2020 per Resettlement in die EU kommen dürfen, will Deutschland 10 200 Personen aufnehmen, darunter 6000 aus der Türkei, rund 2900 aus Lagern in Ägypten, Jordanien, Libanon und Äthiopien. 500 Frauen und Kinder nimmt Schleswig-Holstein auf. Für Menschen, die das UNHCR aus libyschen Lagern nach Niger gebracht hat, bietet Deutschland 300 Resettlement-Plätze. Weitere 300 hat die Bundeskanzlerin nun zugesagt. Diese letzte Gruppe zähle zum Gesamtkontingent, hieß es am Montag im Bundesinnenministerium.

Das Gleiche gelte für 500 vulnerable Personen, die über das private Sponsorenprogramm "NesT" kommen sollen. "Wir machen gefährliche Fluchtrouten weniger attraktiv", sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU). Das Programm unterstütze auch ehrenamtliche Helfer, die "mit enormen Anfeindungen zu kämpfen" hätten. In Kanada und Großbritannien gibt es vergleichbare Konzepte seit Jahrzehnten.

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