Flüchtlinge:Raum für Menschenwürde

Die EU-Justiz gibt Hoffnung - etwas.

Von Wolfgang Janisch

In der europäischen Flüchtlingspolitik sind Fortschritte derzeit nicht ganz leicht auszumachen. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Dienstag wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein mutiger Schritt nach vorn. Geflüchtete sind nur dann vor einer Abschiebung in den für ihr Verfahren zuständigen EU-Staat geschützt, wenn ihnen dort extreme Not und Verelendung droht - gewöhnliche Armut reicht dafür nicht.

Trotzdem enthält die Entscheidung einen Hoffnungsschimmer. Er liegt in dem Wort Menschenwürde, niedergelegt in der EU-Grundrechtecharta. Es fällt auf, dass der Gerichtshof dieses oberste Rechtsprinzip neuerdings zum Schutz der Flüchtlinge aktiviert. Er ruft damit in Erinnerung, dass in Europa nicht nur kalter Pragmatismus gelten darf, sondern dass die EU ein Raum der Grundrechte ist.

Gewiss, der Schutz allein vor "extremer Not" ist ein niedriger Standard, der mit Mitmenschlichkeit nicht viel zu tun hat. Zudem bekräftigt das Gericht in Luxemburg, es sei zuvorderst Sache der Staaten selbst, die Not der Flüchtlinge zu lindern. Aber ein Grundrecht ist dazu da, mit Inhalt gefüllt zu werden. Menschenwürde heißt Verantwortung: Am Ende ist es die Europäische Union selbst, die den Schutz der Menschen vor Verelendung durchsetzen muss - notfalls auch gegen ihre Mitgliedstaaten.

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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