Bamf:Wie Deutschland syrische Kriegsverbrecher aufspürt

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Sammelt Hinweise auf Kriegsverbrechen: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

(Foto: Christoph Soeder/dpa)
  • In Deutschland sammeln Behörden wie zum Beispiel das Bamf Hinweise auf Kriegsverbrecher.
  • Medienberichten zufolge führen Hinweise aber nur selten zu Ermittlungen.
  • Grund dafür ist die oft komplizierte Beweisführung bei Verbrechen, die in ausländischen Kriegsgebieten geschehen sind.

Von Ronen Steinke, Berlin

Mehr als sieben Jahre dauert der Bürgerkrieg in Syrien schon. Unermesslich ist die Zahl der Kriegsverbrechen, die in diesem Konflikt begangen worden sind, von diversen Rebellen- und Terrorgruppen, noch weitaus häufiger von den Truppen des Assad-Regimes: Giftgas, Bomben auf Wohngebiete, Folter. Im Krieg ist vieles erlaubt. Das Völkerrecht verlangt nicht viel von kämpfenden Verbänden, nur ein Minimum an Humanität. Aber wenn es einen Ort auf der Welt gibt, an dem derzeit so ziemlich jede Regel der Genfer Konventionen und der Haager Landkriegsordnung gebrochen wird, dann ist es dieser.

Da irritiert diese Meldung. In Deutschland sammeln die Sicherheitsbehörden Hinweise auf Kriegsverbrecher unter den Flüchtlingen. Aber nur selten hat das juristische Konsequenzen. Genauer: Seit Anfang 2014, erklärte die Bundesregierung auf Anfrage der FDP-Bundestagsabgeordneten Linda Teuteberg, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 5000 Hinweise auf Kriegsverbrechen gesammelt. Sie betrafen Flüchtlinge aus Syrien, aber auch aus dem Irak. Doch nur in 129 Fällen habe die Justiz Ermittlungsverfahren eingeleitet. So bestätigt es auch die Bundesanwaltschaft. Die Zahlen muss man sich genauer ansehen. 5000 Hinweise: Dahinter steckt eine systematische Befragung ankommender Flüchtlinge. Das Bamf verwendet einen Anhörungsbogen. Es gilt, folgende Frage zu beantworten, wenn ein Mensch aus Syrien oder dem Irak kommt: "Waren Sie selbst Augenzeuge, Opfer oder Täter von begangenem Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit; Übergriffen (Folter, Vergewaltigungen oder andere Misshandlungen) von kämpfenden Einheiten auf die Zivilbevölkerung; Hinrichtungen bzw. Massengräbern oder Einsätzen von Chemiewaffen?" Wird dies mit Ja beantwortet, zählt das als "Hinweis". Auch wenn es kein Geständnis eigener Schuld ist. Sondern oft nur eine Angabe als Zeuge oder Opfer. Das Bamf unterteilt diese vielen "Hinweise" in fünf Kategorien. Kategorie 1 ist aus Sicht der Strafverfolgung das beste. In diese Kategorie fallen "namentliche Hinweise auf in Europa oder Deutschland befindliche Täter von Kriegsverbrechen". Damit können die Ermittler im Bundeskriminalamt (BKA), an die das Bamf diese Informationen weiterleitet, sofort etwas anfangen. Beim BKA kümmert sich die "Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen und weiteren Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch" in Meckenheim bei Bonn, geleitet vom Ermittler Klaus Zorn.

Aber so viel Glück ist selten. Meist fallen die Bamf-Hinweise eher in die Kategorie 2: Der Flüchtling hat Namen genannt, aber keine konkreten Vorwürfe, nach denen sich ermitteln ließe. Oder Kategorie 3: Konkrete Vorwürfe, aber keine Namen. Einen großen Anteil, so heißt es unter Strafverfolgern, mache Kategorie 5 aus: Jemand berichtet als Zeuge von einer Gräueltat in Syrien oder dem Irak - ohne dass es aber einen Bezug zu Personen gäbe, die sich derzeit in Deutschland aufhalten. Mit vielen der 5000 Bamf-Hinweise konnten die Ermittler daher nicht weit kommen.

Neun Juristen bilden beim Generalbundesanwalt die "war crimes unit"

Die Bundesrepublik hat vor Jahren ein Versprechen abgegeben, es heißt "internationale Solidarität bei der Strafverfolgung". Diese Worte stehen in der Gesetzesbegründung für das Völkerstrafgesetzbuch, eingeführt im Jahr 2002. Das bedeutet, dass hiesige Staatsanwälte keine Grenzen mehr kennen sollen, wenn es um die Verfolgung von Genozid oder anderen Völkerrechtsverbrechen geht. Es sind neun Juristen, die beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe die sogenannte War Crimes Unit bilden. Das ist das Referat für Völkerstrafrecht, zuständig für Genozid und Menschheitsverbrechen, geführt von Bundesanwalt Christian Ritscher. Sein Einblick in die Befehlsstrukturen irakischer Milizen oder in syrische Foltergefängnisse ist aber beschränkt.

Syriens Regime foltert zwar so, dass es jeder im Land mitbekommt. Das Volk soll sich fürchten. Die Folterknechte aber bleiben im Verborgenen. Sie verbinden ihren Opfern die Augen, nutzen falsche Namen. Es geschieht hinter hohen Mauern und verschlossenen Türen.

"Kriegsverbrecher dürfen in Deutschland keinen Schutz bekommen", sagt die FDP-Politikerin Teuteberg. "Ich habe Zweifel, ob die Bundesregierung das in den letzten Jahren immer mit der gebotenen Ernsthaftigkeit verfolgt habe." Die Zahl der Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen hat indes seit 2014 stetig zugenommen hierzulande: Im ersten Jahr waren es bei der Bundesanwaltschaft fünf Ermittlungsverfahren, 2018 schon 49.

Vor drei Wochen reichten die Erkenntnisse auch erstmals für Haftbefehle: Die Bundesanwaltschaft ließ zwei Syrer festsetzen, Anwar R. in Berlin und Eyad A. in Rheinland-Pfalz. Sie sollen als Geheimdienstmitarbeiter des Regimes in Damaskus Menschen gefoltert haben. Sie waren als Flüchtlinge nach Europa gekommen.

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