Eins kann man schon jetzt über die Vorschläge der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen sagen: Sie haben keine Chance auf baldige Umsetzung. Würde die Berliner SPD-Spitze auch nur leise Zustimmung zu den Ideen signalisieren, dann würde sie ausgerechnet jener Konkurrentin einen Erfolg gönnen, die in Rheinland-Pfalz versucht, die Sozialdemokratin Malu Dreyer aus dem Amt zu kippen. In knapp zwei Monaten wird dort gewählt. Selbst wenn die SPD wollte, könnte sie Klöckners Vorschlag auf keinen Fall unterstützen.
Eine Schmach ist das noch nicht für die Frau aus Mainz. Ausgerechnet das Nein der Sozialdemokraten schützt sie vor einem Realitätstest, der sie schlecht aussehen ließe. So aber hat sie es mit ihrem für die SPD nachgerade perfiden Vorschlag geschafft, die Kritiker von Angela Merkel - seien sie nun in der CDU oder nicht - plötzlich mit ein paar Vorschlägen zu beschäftigen, die deren Bedürfnisse zu befriedigen scheinen. In Klöckners Papier steht zwar nichts von einer Obergrenze. Sie meidet das Wort, das Merkel ablehnt.
Aber Klöckner empfiehlt, dass sich die Zahl der Flüchtlinge, die künftig in Deutschland auf Länder und Kommunen verteilt würden, nicht mehr an der Zahl der Ankommenden orientieren sollte, sondern an den Möglichkeiten der Gemeinden. Das würde die Verhältnisse umdrehen: Nicht das Asylrecht wäre mehr der Maßstab, sondern eine wie auch immer geartete Kapazitätsgrenze. Man muss das nicht Obergrenze nennen, um es für eine Obergrenze zu halten. Und das werden nicht nur Merkel-kritische Christdemokraten so lesen, sondern auch all jene an der SPD-Basis, die seit geraumer Zeit ebenfalls nach einer Begrenzung rufen.
Der SPD in Berlin kann das nicht gefallen. Eng damit verknüpft ist der zweite Teil von Klöckners Vorschlag, alle Flüchtlinge nur noch in sogenannten Grenzzentren aufzunehmen. Dort sollten sie registriert und medizinisch untersucht werden, dort sollte eine erste Prüfung ihrer Asylanträge stattfinden - mit dem Ziel, nur jene überhaupt an die Kommunen weiterzuverteilen, die eine Bleibeperspektive hätten. Alle anderen sollten bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens in diesen Zentren bleiben. Auch das klingt nach Ordnung, es suggeriert Entlastung, und es bedient Bedürfnisse, die Merkel bis heute nicht bedient hat.
Ein Vorschlag, der auf die Parole "Grenze zu!" verzichtet
Während die Seehofers vor allem nach Grenzschließungen rufen, präsentiert Klöckner einen Vorschlag, der auf die Parole "Grenze zu!" verzichtet, aber für den Fall eines Scheiterns aller Bemühungen Merkels eine vermeintliche Lösung bereithält. Man kann das clever nennen oder als Wählertäuschung geißeln. Im Streit um den Flüchtlingskurs ist Klöckner eines gelungen: Sie hat der CDU-Führung ein wenig Luft verschafft, nach dem Motto: Auch die CDU hat einen Plan für den Notfall.
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Mit "Grenzzentren" und Tageskontingenten für Flüchtlinge will CDU-Vize Julia Klöckner die Flüchtlingszahlen reduzieren. Ihre Vorschläge seien kein "Widerspruch" sondern eine "Ergänzung" zu Merkels Politik, erklärt Klöckner.
Für Merkel steckt darin kurzfristig ein Vorteil, und für Klöckner schon auf mittlere Sicht eine Gefahr. Die Kanzlerin kann ihren Regierungssprecher süffisant erklären lassen, dass sie damit zwar nichts zu tun habe, aber die Ideen Klöckners die Ziele der Kanzlerin durchaus "überlappten" und "ergänzten". Mit anderen Worten: Merkel hat's nicht erfunden, aber sie wird es auch nicht verteufeln. Von jetzt an fährt die Kanzlerin zweigleisig. Kann man so sagen.
Klöckner dagegen muss hoffen, dass die Kanzlerin trotzdem die Probleme löst - und niemand ihre Ideen testet. Andernfalls würde schnell klar, wie sie mit einem schwachen Konzept Wählertäuschung betreibt. Bleiben die Flüchtlingszahlen wie vorausgesagt, hätte man binnen Tagen Zigtausende, die in Klöckners Grenzzentren untergebracht werden müssten. Im Voralpenland würden mittelgroße Flüchtlingsstädte aus dem Boden schießen.
Das hat sie dann doch lieber verschwiegen.