Aber: Menschen sind keine Bauklötzchen, die man schnell austauschen kann. Und: Es geht einem Menschen, dem es schlecht geht, nicht schon deswegen besser, weil es einem anderen Menschen noch schlechter geht. Sinti und Roma dürfen in der neuen Flüchtlingsdebatte nicht unter die Räder kommen. Die Sorge um die Zukunft von Sinti und Roma muss Deutschland, auch aus historischer Verantwortung, in die EU tragen. Es handelt sich um ein Armuts- und Klassenproblem, das durch rassistische Zuweisungen verdrängt wird. Es gilt, einem Volk eine Zukunft zu geben.
Flüchtlingspolitik besagt: Es gibt ungeheuer viel zu tun. Aber es wird so wenig davon angepackt. Die Fantasien der Politik erschöpfen sich in Abwehr- und Abschreckungsmaßnahmen. Es handelt sich um die Wiederkehr des immer Gleichen, der Rezepte also, die man aus den Neunzigerjahren kennt: Flüchtlingen in Deutschland soll das Taschengeld gekürzt werden - das zum Beispiel dafür da ist, dass sie telefonieren und öffentliche Verkehrsmittel benutzen können.
Unwirtschaftlich und unwürdig
Flüchtlinge sollen auch kein Geld mehr erhalten, um sich Nahrung und Kleidung selber kaufen zu können; stattdessen sollen sie Sachleistungen kriegen. Das alles ist in den vergangenen dreißig Jahren schon versucht und dann vom Verfassungsgericht verworfen oder als unwirtschaftlich und unwürdig wieder eingestellt worden. Angesichts hoher Flüchtlingszahlen scheinen diese Erfahrungen für immer mehr Politiker keine Lehre mehr zu sein.
Grundrechte sind nicht aus Seife; sie werden nicht durch ihren Gebrauch abgenutzt. Die Würde des Menschen steht nicht unter dem Vorbehalt, "es sei denn, es sind zu viele Menschen". Und die Probleme, die es in Fluchtländern gibt, verschwinden nicht dadurch, dass man diese Länder zu "sicheren Herkunftsländern" definiert; Probleme lassen sich nicht wegdefinieren. Man könnte die ganze Welt für sicher erklären, mit Ausnahme von ein paar wenigen Staaten, die dann auf einer Positivliste stehen; an den Fluchtgründen würde sich nichts ändern.
Asylverfahren lassen sich beschleunigen - das ist bitter notwendig. Beschleunigen muss sich auch ein neues Denken.