Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge:Integration ohne Rohrstock

CSU und CDU fordern ein Integrationspflichtgesetz. Das ist Brimboriums- und Symbolpolitik. Wichtiger wäre etwas ganz anderes.

Kommentar von Heribert Prantl

Arifa K. hat im Integrationskurs nicht die notwendigen Leistungen erbracht; ein Zertifikat kann ihr nicht erteilt werden. Bei der Ausländerbehörde wird daher nun die Abschiebung der Arifa K. angeregt".

So oder so ähnlich mögen sich manche in und außerhalb der CSU die praktische Umsetzung eines von der Union geforderten "Integrationspflichtgesetzes" vorstellen: Wer der Integrationspflicht ungenügend nachkommt, wird bestraft; die Sanktionen reichen von Leistungskürzungen bis hin zur Abschiebung.

Integrationsdefizite künftig strafbewehrt? Derlei Pläne kommen den Leuten entgegen, die einen Rochus auf Flüchtlinge haben und fordern, dass man ihnen zeigen müsse, wo der Bartl den Most holt. Solche Forderungen verzeichnen freilich die derzeitigen Probleme auf groteske Weise; diese Forderungen erwecken nämlich den Anschein, es fehle überwiegend am Integrationswillen der Flüchtlinge. Das Gegenteil ist richtig: Es gibt, wie Organisatoren und Lehrkräfte der Kurse berichten, einen schier überbordenden Lernwillen. Es gibt aber zu wenig Kurse, es gibt zu wenig Lehrkräfte; und die Volkshochschulen, die das Gros der Kurse anbieten, werden finanziell kurz gehalten.

Die Flüchtlinge sind zum Herumhängen gezwungen

Viele Flüchtlinge haben schon auf der Flucht per Handy-App sich Grundzüge des Deutschen beizubringen versucht und sind bitter enttäuscht, wenn sie dann von den Kursen ferngehalten werden, weil sie der deutsche Staat nach Aschenputtel-Manier sortiert: Integrationskurse dürfen nur Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Iran und Eritrea besuchen. Alle anderen müssen bis zum Abschluss des Asylverfahrens warten. Bis dahin ist viel Zeit vertan, sind die Flüchtlinge zum Herumhängen gezwungen - wenn nicht ehrenamtliche Kräfte das fehlende staatliche Integrationsangebot ersetzen.

Die CSU will, dass künftig eine formelle Integrationsvereinbarung zwischen dem Staat und dem Flüchtling getroffen wird, auch die CDU hatte dies jüngst auf ihrem Parteitag beschlossen: Der Staat soll mit dem Flüchtling einen Vertrag über seine Rechte und Pflichten abschließen. Das ist Brimboriums- und Symbolpolitik; aber Symbole müssen ja nichts Schlechtes sein. Ein solcher Vertrag verpflichtet auch den Staat, das Seine zu tun: Deutschkurse kann der Flüchtling schließlich nur dann besuchen, wenn es sie für ihn gibt.

Integration funktioniert nicht per Rohrstock, sondern mit Angeboten und Anreizen. Der größte Anreiz besteht schon jetzt und in Zukunft darin, dass derjenige, der die Integrationskurse erfolgreich abgeschlossen hat, eine gesicherte Aufenthaltserlaubnis erhält. So ist es nach dem Zuwanderungsgesetz von 2005. Und es ist auch jetzt schon so, dass es Maßregeln gibt, wenn sich jemand aus eigener Schuld den Förderungsangeboten entzieht; das muss man nicht noch weiter ausbauen. Ausbauen muss man die staatlichen Angebote; und es sollte auch das Niveau der Integrationskurse angehoben werden.

Integration ist nicht zuletzt eine Pflicht der Gesellschaft gegenüber sich selbst.

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SZ vom 29.12.2015/dayk
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