Flüchtlinge in Europa:Österreich und Deutschland sind sich einig: Italien ist verantwortlich

  • Deutschland und Österreich erhöhen den Druck auf Italien, den Zuzug von Flüchtlingen zu kontrollieren.
  • Die Innenminister beider Länder drängen Italiens Regierung dazu, zu den alten Regeln des Dublin-Systems zurückzukehren.
  • Den wochenlangen Streit über die rigide Schließung der Balkanroute erklären die beiden Minister für beendet.

Von Stefan Braun und Wolfgang Wittl, Potsdam

Deutschland und Österreich erhöhen massiv den Druck auf Italien, die Wiederholung eines Flüchtlingsansturms wie über die Balkanroute unmöglich zu machen. Nach wochenlangen Verstimmungen zwischen Berlin und Wien über das österreichische Verhalten in der Flüchtlingskrise zeigten sich die beiden Innenminister nach einem Treffen in Potsdam ungewohnt vereint. Das sah man besonders bei der Frage, wer die Hauptverantwortung übernehmen müsse, damit über Libyen, das Mittelmeer und Italien nicht noch mal eine große Zahl an Flüchtlingen nach Mitteleuropa komme. Beide wiesen auf Italien.

Mit Blick auf die umstrittenen Pläne Wiens, am Brenner für alle Eventualitäten einen Grenzzaun zu errichten, äußerte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nicht etwa Kritik an Österreich, sondern sagte im Gegenteil: "Was am Brenner geschieht, liegt zuallererst und vordringlich in der Hand Italiens." Das habe man der Regierung in Rom auch deutlich signalisiert. "Wir teilen die Auffassung Österreichs, dass an der Grenze Italiens zum Norden nicht wieder eine Situation entstehen soll wie auf der Balkanroute im letzten Herbst."

Eine Politik des Durchwinkens fördere außerhalb der EU die Tendenz, nach Europa zu kommen. Deshalb müsse damit jetzt Schluss sein, sagte der deutsche Innenminister. Italien versucht jedoch derzeit, sich mit Hotspots und weiteren Maßnahmen auf einen möglichen Anstieg der Flüchtlingszahlen vorzubereiten.

Hintergrund der Debatte ist, dass Italien in der Vergangenheit Flüchtlinge immer wieder nicht selbst registriert, sondern einfach Richtung Norden weitergeleitet hatte. Nun drängen die Innenminister Wiens und Berlins die römische Regierung offenkundig dazu, zu den alten Regeln des Dublin-Systems zurückzukehren. Nach denen muss das EU-Land, in dem die Flüchtlinge europäischen Boden betreten, sie auch registrieren und versorgen.

Deutschland und Österreich betonen das Gemeinsame

De Maizière verwies darauf dass Griechenland mit seinen zehn Millionen Einwohnern akzeptiert habe, 60 000 Flüchtlinge aufzunehmen. Übertragen auf Italien mit seinen 60 Millionen Einwohnern könne man also ziemlich genau sagen, wann Rom wirklich Hilfe brauche: Bei 300 000 bis 350 000 Flüchtlingen im Land. "Davon sind wir weit entfernt", sagte der CDU-Politiker.

Sein neuer österreichischer Kollege Wolfgang Sobotka (ÖVP) argumentierte ähnlich. "Für uns ist es notwendig, Italien vor Augen zu führen, dass es seine internationalen Verpflichtungen erfüllt", sagte Sobotka. Italien habe zugesagt, auch die Kontrollen "an den Binnengrenzen" zu verstärken. Zur Kritik an Wiens Plänen am Brenner sagte Sobotka, Österreich habe nicht vor, die Grenze zu schließen. Man werde die Pfosten für den Zaun errichten, "aber die Zäune nicht einhängen", sagte er. "Es wird kein Bild des Abschottens entstehen."

Österreich schickt Drohung nach Italien

Police and activists clash at rally against border control betwee

Blockiert, in diesem Fall aber nur wegen einer Demonstration: Österreichische Polizisten vor einigen Tagen am Brenner.

(Foto: Jan Hetfleisch/dpa)

Auf eine glasklare Drohung Richtung Rom mochte Sobotka gleichwohl nicht verzichten. Sollte die Zahl der Flüchtlinge wieder steigen, könnte es mit der Zurückhaltung schnell vorbei sein. Alle Vorbereitungen, die derzeit an der wichtigsten Nord-Süd-Verbindung in den Alpen getroffen würden, zeigten vor allem, zu was Österreich in der Lage sei, sollten sich die geschätzt bis zu einer Million Flüchtlinge in Libyen doch auf den Weg machen.

Den wochenlangen Streit zwischen Berlin und Wien über Österreichs Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik und die rigide Schließung der Balkanroute vor dem Ende gemeinsamer Bemühungen in der EU sollten bei dem Treffen keine Rolle mehr spielen. Obwohl es in Berlin vor und hinter den Kulissen viel Ärger und Frust gegeben hatte, sagte de Maizière, der Streit sei beendet.

Mit dem EU-Türkei-Abkommen gebe es keinen Meinungsverschiedenheiten mehr zwischen Wien und Berlin. Die Balkanroute habe sich als Flüchtlingsroute erledigt. "Sie hat sich erledigt, sie bleibt erledigt, das ist unsere gemeinsame Position", sagte de Maizière. Sobotka zeigte sich zufrieden. Mit einem Lächeln wies er gleichwohl noch einmal darauf hin, dass Österreich bereits einen großen Beitrag geleistet habe, um den Zufluss nach Europa zu stoppen.

CSU verbucht einen Erfolg bei den Grenzkontrollen in Bayern

Auch einen anderen Konflikt möchte Berlin offenbar geräuschlos beenden: den Streit mit Bayern um die Grenzkontrollen. De Maizière sagte in Potsdam, man sei in dieser Frage in "guten Gesprächen" mit der EU-Kommission, mit Österreich, mit anderen Ländern. Man werde aber vor dem Stichtag 12. Mai noch ein paar Tage brauchen.

In München wird das als Erfolg der CSU gelesen. Sie hat immer darauf beharrt, die Kontrollen fortzusetzen. "Ich rechne damit, dass der Konflikt gelöst werden kann", sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer am Freitag.

De Maizière hatte die CSU verärgert, als er ankündigte, die Grenzkontrollen am 12. Mai im Falle gleichbleibend niedriger Flüchtlingszahlen auslaufen zu lassen. Dass er sich nun für eine Verlängerung der Kontrollen einsetzt, wird in München als Zugeständnis Berlins gewertet. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hatte mit Verweis auf den Terrorismus Sorgen geäußert

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