Flüchtlinge in Deutschland:Zu wenig Geld für einen Apfel am Tag

225 Euro sind zu wenig, um als Flüchtling in Deutschland menschenwürdig zu leben. Das hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden. Vier Protokolle über den Flüchtlingsalltag in Deutschland - stellvertretend für 130.000 Menschen, die derzeit hier Asyl suchen.

Protokolle: Roland Preuß

Dieser Mittwoch war für 130.000 Flüchtlinge ein entscheidender Tag. Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass sie mehr staatliche Unterstützung bekommen müssen. Momentan erhalten sie 225 Euro im Monat, etwa 40 Prozent weniger Geld als ein Hartz-IV-Empfänger. Häufig gibt es statt dieses Betrags auch nur Unterkunft, Essenspakete, Kosmetika und monatlich 40,90 Euro Taschengeld. Wie kommt man mit diesem Minimum zurecht? Wir haben Flüchtlinge im niederbayerischen Landshut und in München gefragt, wie sie ihr Leben empfinden - und was sie sich wünschen.

Asylbewerber Portraits Landshut

Obaid Abdullah, 25, aus Afghanistan.

(Foto: Florian Peljak)

Obaid Abdullah

Ich habe Englisch unterrichtet in Afghanistan. Das hat den Taliban nicht gefallen, weil es die Sprache der Besatzer sei. Seit Dezember 2010 bin ich nun hier in Deutschland. Von den gut 40 Euro Taschengeld gehen jeden Monat zehn Euro ab, weil ich mit einem falschen Pass eingereist bin und deshalb eine Strafe abzahlen muss. Weitere zehn Euro bekommt mein Anwalt für meine Klage auf Asyl. Wir müssen hier in der Unterkunft leben, von Essenspaketen. Wir sind eine Art Niederbayern-Häftlinge. Doch ich will selbst bestimmen, wo ich lebe. Hier kann ich nicht schlafen und nicht studieren, es ist laut und eng. Ich würde gerne arbeiten, statt vom Steuergeld der Deutschen zu leben. Zwei Arbeitsstellen hatte ich bereits gefunden, doch die Behörden haben es mir nicht erlaubt. Warum machen sie uns das Leben so schwer? Auch wenn es mir hier nicht gefällt: Ich werde nicht nach Afghanistan zurückgehen, auf keinen Fall.

Traum von einem Job als Pflegerin

Florie Pepaj

Asylbewerber Portraits München

Florie Pepaj, 38, aus Kosovo.

(Foto: Florian Peljak)

Jeden Tag sollte bei meinen drei Kindern ein Apfel in die Tasche, damit sie gesund bleiben, doch dafür reichen die Essenspakete nicht. Wenn mein behinderter Sohn krank wird, ist es besonders schwierig: dann will er Suppe, aber die muss ich extra kaufen von unserem Taschengeld. Zu fünft bekommen wir 194,27 Euro, einschließlich Zuschuss für Windeln. Wir leben jetzt schon drei Jahre von Asylleistungen, seitdem wir aus Kosovo nach Deutschland gekommen sind. Dort war ich Lehrerin. Gerade habe ich eine Ausbildung zur "Interkulturellen Pflege- und Betreuungsassistentin" abgeschlossen. Mein Traum ist, dass ich als Pflegerin arbeiten kann. Allerdings ist das nicht einfach. Mein Deutsch ist noch zu schlecht, ich verstehe die Leute oft nicht. Am schwierigsten aber wird es, wenn die Firmen sehen, dass ich Flüchtling bin. Dann muss erst das Arbeitsamt prüfen, ob nicht ein Deutscher oder EU-Bürger meine Stelle annehmen will. Das dauert den Chefs aber meist zu lange. Am meisten aber wünsche ich mir, dass wir in Deutschland bleiben dürfen, damit mein Kind gute Medizin bekommt.

Antrag auf Besuch in München kostet zehn Euro

Asylbewerber Portraits Landshut

Robert Ssekanyouy, 32, aus Uganda.

(Foto: Florian Peljak)

Robert Ssekanyony

Die Unterkunft hier in Landshut ist nicht sauber, aber das ist nicht das Einzige, was schwierig ist. Ich lerne selbständig Deutsch, weil es keine Kurse für uns gibt, aber Sie hören ja, wie laut der Nachbar die Musik aufgedreht hat. Ich bin vor eineinhalb Jahren aus Uganda nach Deutschland gekommen. Seitdem warte ich auf eine Entscheidung in meinem Asylverfahren. Es dauert so lange. Wenn ich zu Bekannten nach München fahren will, muss ich extra einen Antrag stellen. Doch der kostet zehn Euro. Das ist viel Geld bei 40,90 Euro Taschengeld. Mein Traum ist, eine Ausbildung zu machen, irgendetwas, das schnell geht und nicht schwierig ist, weil ich ja schon 32 Jahre alt bin. Lastwagenfahrer würde mir gefallen.

"Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen"

Asylbewerber Portraits Landshut

Ghassan Kanoun, 27, aus Syrien.

(Foto: Florian Peljak)

Ghassan Kanoun

Als ich vor fast sechs Jahren aus Syrien nach Deutschland kam, war ich wirklich enttäuscht. Hier in der Unterkunft fühlt man sich nicht als Mensch. Alles wird vorgegeben: das Essen aus den Paketen, wo man wohnt, mit wem man wohnt. Am meisten vermisse ich die Freiheit. In der Landshuter Unterkunft gibt es Ärzte, Schauspieler, Musiker, die wollen weitermachen in ihrem Beruf, aber sie können nicht. Vom Bundesverfassungsgericht wünsche ich mir, dass es das ganze Asylbewerberleistungsgesetz abschafft und den Flüchtlingen ein Bleiberecht gibt. Ich persönlich benötige inzwischen keine Asylleistungen mehr, seit kurzem habe ich eine Aufenthaltserlaubnis. Ich habe eine Ausbildung zum Schweißer angefangen und verdiene Geld. Für das kleine Zimmer zahle ich 192 Euro Miete im Monat. Mein Traum war eigentlich ein anderer: Ich wollte Musiklehrer werden. Aber das geht jetzt wohl nicht mehr.

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