Flüchtlinge in besetzter Schule:Berliner Kleinmut

Der Umgang mit Flüchtlingen in einer ehemaligen Kreuzberger Schule zeigt, dass Berlins Politiker mit ihrer ureigensten Aufgabe überfordert sind. Die Grünen scheitern an ihren eigenen Ansprüchen. Wowereit schaut nur zu. Und die Hauptstadt-CDU zeigt sich als das Gegenteil der modernen Großstadtpartei.

Ein Kommentar von Jens Schneider, Berlin

Berlin ist ein Versprechen, gern geben seine Politiker damit an. Die Hauptstadt soll bunt sein, Fremden auch in der Not menschlich begegnen. "Ja, Berlin bietet Menschen ein neues Zuhause, die ihre Heimat verlassen mussten, weil sie dort verfolgt wurden und nicht mehr friedlich leben konnten." So erklärte es der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit kürzlich. Im von den Grünen regierten Bezirk Kreuzberg wird das noch gesteigert. Da will die Politik nicht nur besser sein, sondern: gut. Als gute Menschen wollen die Grünen Flüchtlingen Hilfe bieten.

Diese Ziele sind ehrenwert und wären kein Anlass zum Spott, wenn Berlins Politiker nicht so erbärmlich daran scheiterten. Eine Woche wurde eine Kreuzberger Schule von der Polizei umstellt, auf deren Dach sich Flüchtlinge zurückgezogen hatten. Jetzt verließen sie das Dach, man redet von einer Lösung. Dabei ist das einzig Gute, dass es nicht noch schlimmer kam: Flüchtlinge drohten, sich vom Dach zu stürzen, sie taten es zum Glück nicht. Ansonsten ist nichts gut in Berlins Flüchtlingspolitik. Es bleibt völlig offen, was mit den Menschen geschieht. Es handele sich um globale Probleme, reden sich die Stadtpolitiker raus. Das klingt zunächst wahr und ist doch Selbstbetrug.

Wowereit macht Versprechungen, die er dann nicht hält

Berlins Politik zeigt sich überfordert bei ihren ureigenen Aufgaben. Es beginnt mit Kreuzbergs Grünen, die solidarisch sein wollten und in ihrer Großzügigkeit unzumutbare Zustände in der Schule entstehen ließen. Als sie nicht weiter kamen, riefen sie die Polizei. Sie haben nicht verstanden, dass die Not von Menschen aus Sudan oder Mali nicht mit einem Info-Zentrum zu lösen ist. Hier geht es nicht um jugendliche Hausbesetzer, denen man etwas Freiraum gibt, damit sie sich austoben können. Es geht um Menschen ohne Heimat, die sicher leben wollen.

Zum Fiasko hat, zweitens, das Versagen der großen Koalition im Stadtstaat beigetragen. Sie hat zu verantworten, dass die Flüchtlinge Zusagen nicht mehr trauten - weil gerade ein Versprechen gebrochen wird. Im März entschärfte ein stolz präsentiertes "Einigungspapier" den Konflikt um den Kreuzberger Oranienplatz, wo Flüchtlinge campierten. Sie ließen sich in Heime bringen. Versprochen wurde eine umfassende Prüfung ihrer Asylanträge, unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten. Stattdessen erleben sie Prüfungen in Schnellverfahren. Offenbar unterläuft CDU-Innensenator Frank Henkel die Einigung im Bemühen, sich als scharfer Innenpolitiker zu präsentieren.

So zeigt sich Berlins CDU als das Gegenteil der modernen Großstadtpartei, die sie doch so gern wäre. Regierungschef Wowereit überließ Kreuzberg und die Flüchtlinge derweil sich selbst. Wieder einmal musste man sich fragen, aus welch abgelegener Ecke er zuschaut, wie seine Stadt an sich scheitert. Wobei Berlin auf weitere Versprechen gut verzichten konnte. Von Wowereit müssten klare Vorgaben kommen, auch für den Innensenator. Sie sollten nicht weitere falsche Hoffnungen nähren, aber für jeden Einzelfall die Menschlichkeit zusichern, die das Einigungspapier versprach.

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